MYRNA LOY im Interview (1/2)

Myrna Loy 2. Album ganz

„Das Cover polarisierte, genau wie unsere Musik.“

2 Fakten:
• 1989/90 supporteten Myrna Loy And Also the Trees und Anne Clark.
Myrna Loy ist der Name einer mittlerweile verstorbenen Stummfilmschauspielerin. Der Name wurde nicht nur aus ästhetischen Gründen gewählt, sondern auch, weil er keinen Rückschluss auf die Musik zulässt.

Anlässlich des digitalen Release ihres zweiten Albums „Time Says Helay“ sprechen wir mit Bandkopf Victor D und schwelgen dabei in der Vergangenheit. Wir sprechen über polarisierende Kunst, Veränderung und Entwicklung.

Gespräch mit Zeit?

Orkus: Was hat es mit dem Albumtitel „Time Says Helay“ auf sich?
Victor D.: Das Phänomen und der Begriff Zeit als solche haben mich damals und mein ganzes Leben lang immer sehr stark beschäftigt. Zeit ist eine Komponente im Leben, die nicht greifbar ist, aber das Leben jedes Einzelnen maßgeblich bestimmt. So wie wir Zeit in der westlichen Welt denken, definiert sie unseren Anfang, unsere Geburt und unser Ende, unseren Tod. Ich habe mir oft Zeit als eine Person vorgestellt, mit der ich mich unterhalten könnte. Zeit würde an mich herantreten: „Hallo, du suchst ein Gespräch mit mir?”“

Polarisierende Bilder

Myrna Loy - Time Says Helay

O: Mit dem Coverbild von Kerstin Vieg und Olaf Meyer habt ihr damals ganz schön für Aufsehen gesorgt … Wie denkt ihr heute darüber? – Und wie ist es überhaupt entstanden?
VD: Wir kannten am Anfang Kerstin gar nicht. Nachdem sie das erste Cover sehr erfolgreich gestaltet hatte, haben wir Kerstin bei der Gestaltung des zweiten Covers völlig freie Hand gelassen. Die Ideen kamen immer von ihr und die grafische Gestaltung hat Olaf dann übernommen. Er war zur damaligen Zeit bereits ein sehr angesagter und vielbeschäftigter Designer, der vor allem auch Buchcovers designte. Als uns dann direkt nach Fertigstellung der Aufnahmen das Cover zum zweiten Album vorgestellt wurde, waren ich und auch alle anderen der Band sehr begeistert. Mich hat vor allem das provozierende Element des Covers direkt angesprochen.
Ich habe einmal während unserer Tour eine ganze Litfaßsäule komplett mit unserem Cover bedeckt gesehen. Interessant war, wie stark die Reaktionen von ganz normalen Passanten waren, manche standen davor und schüttelten nur den Kopf, andere hielten inne und gingen Sekunden später, nachdem sie das Motiv verstanden hatten, amüsiert weiter. Das Cover polarisierte, genau wie unsere Musik.

Kunst oder Provokation?

O: Hättet ihr euch auch nur erträumen können, dass es trotz (oder wegen?) der Kontroversen sogar von mehreren Magazinen zu einem der besten Albencover des Jahres gekürt wurde?
VD: Als ich das Motiv zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass dies provozierend sein würde und dass es gut designt ist. Das Motiv ist zwar sehr eindeutig, wird aber sehr abstrahiert dargestellt. Durch das Weglassen von bestimmten Details, räumlichen Bezügen, ist das Motiv nicht mehr eindeutig erkennbar und lässt Spielraum für Interpretationen wie die Tatsache, dass es auch eine Nonne darstellen könnte. Somit ist das Cover aus meiner Sicht wirklich Kunst, weil es eine gelungene Projektionsfläche für die Fantasie des jeweiligen Betrachters repräsentiert.

Beständige Veränderung?

O: Welchen Stellenwert hat Kunst generell in der Musik? Und hat sich das im Lauf der Jahre verändert?
VD: Wir hatten immer den Anspruch, dass Musik eine gewisse Ästhetik haben muss, die auch Bilder erzeugt. 4AD war damals in vieler Hinsicht inspirierend. Bei Normal hatten wir – zufälligerweise – vor Ort eine Plattenfirma mit toller Artwork-Abteilung, die einen ähnlichen Anspruch hatte. Die klassische Kunst war nicht unbedingt unser Inspirationsfeld. Dass uns die Romantik gelegentlich angeheftet wurde, passt stellenweise zur ersten Platte aber ganz gut. Die zweite Platte war insgesamt psychedelischer, gespickt mit Sampels unterschiedlichster Musikgenres und ist insgesamt schwerer zu greifen. Kritiker haben die Platte geliebt. Das Beständigste bei uns war immer die Veränderung.

Entwicklung

O: Euer Debütalbum „I Press My Lips in Your Inner Temple“ wurde ja in nur fünf Tagen im Conny-Plank-Studio aufgenommen. Inwiefern unterschied sich die Aufnahmesituation nun zum zweiten Album?

VD: Die Rahmenbedingungen beim zweiten Album unterschieden sich aus mehreren Gründen fundamental vom ersten Album:

  • Wir bekamen einen Vorschuss und konnten uns einen 8-Spur-Recorder sowie einen Hardware Sequenzer/Sampler – der auch live nutzbar war – kaufen. Das veränderte und bereicherte unsere Musik in vielen Bereichen.
  • Nach dem unerwarteten Erfolg des ersten Albums konzentrierten wir uns 1990/91 ausschließlich auf unsere Musik und haben das Studium unterbrochen. Das waren die kreativsten Jahre von Myrna Loy und wir haben fast 20 Songs in nur zwölf Monaten kreiert.
  • Auch unser Studio-Budget hatte sich verbessert: Statt fünf Tagen konnten wir fast drei Wochen im Conny-Plank-Studio arbeiten. Sonst wäre ein Song wie „ROT“ undenkbar gewesen. Alleine für den Mix dieses Stückes haben wir 1,5 Tage zusammengesessen.

Im zweiten Teil sprechen wir mit Victor über einzelne Songs und Herausforderungen. Selbstverständlich werfen wir auch einen Blick in die Zukunft.

Claudia Zinn-Zinnenburg

Line-up:
Victor D. – Gesang
Mikele – Gitarre
Cord D. – Bass
Alex – Keybords, Sampler

Höre das „Album „Time Says Helay“ hier:

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