Live erlebt: COVENANT

27. Dezember 2024, Oberhausen, Kulttempel

Endlich stand mal wieder eine Clubshow von Covenant im Ruhrgebiet an. Obgleich sie längst in der benachbarten Turbinenhalle spielen könnten, die mit großzügigeren Kapazitäten aufwartet, bleiben sie dem heimeligen Oberhausener Kulttempel treu. Bereits im September war der angesetzte Gig zum Jahresende restlos ausverkauft. Und selbst auf dem Zweitmarkt haben die Tickets schneller neue Besitzer gefunden, als man gucken konnte. Bei eisigen Temperaturen um den Gefrierpunkt fanden sich also bereits 1,5 Stunden vor Einlass die ersten hartgesottenen Fans vor dem Eingang ein. Doch gejammert wurde hier nicht, zu groß war die Vorfreude auf den Abend.

Senkrechtstarter

Während im Kulttempel der angenehme Moment des Aufwärmens einsetzte, machte sich auch schon der Special-Guest des Abends bereit: Ultra Sunn. Das belgische Dark-Wave-Duo, bestehend aus Sam Hugé und Gaëlle Souflet ist derzeit in aller Munde. Seit 2019 verwirklichen die beiden ihre gemeinsame Vision und kombinieren gekonnt Elemente aus EBM, New Beat, Dark Wave und Post Punk. Nachdem ihr Debütalbum „Us“ am 19. April 2024 veröffentlicht wurde, zeichnete man das Duo in Belgien bereits mit dem Titel „Band of the Year“ aus. Auch live starten Ultra Sunn richtig durch. Nach unzähligen Shows in den USA und Europa, geht es auch in den nächsten Monaten fleißig weiter. Allein zu Beginn des neuen Jahres stehen 28 weitere Auftritte an. Seit 2023 ergänzt Alexis Andrigo die Band als Live-Musiker und spielt auf der Bühne Keyboard und Perkussion.

Entschlossenheit

Pünktlich um 20:30 Uhr setzte das Intro „The House“ ein. Gaëlle und Alexis platzierten sich an ihren Keys. Auf der Leinwand erschien der Name als Band, als Sam zusammen mit dem einsetzenden Opener „Some Ghost Could Follow“ hinzustieß. Der hochgewachsene Sänger trug eine weit geschnittene schwarze Jeans, ein stellenweise leicht durchscheinendes Oberteil und dazu eine schwere silberne Kette. Von Beginn an wirkte er ermutigend auf die Menge ein: „Come on!“ Während seiner deutlichen Bitte sofort klatschend nachgekommen wurde, begann er zu hüpfen. „Good evening, everyone.“ Gaëlle und Alexis standen Sam in nichts nach. Springend schüttelte sie zu „Young Foxes“ ihr langes schwarzes Haar. Auch der Live-Musiker bearbeitete unter steter Bewegung sein Drumpad. Die Bandmitglieder hatten von Beginn an eine richtig gute Zeit auf der Bühne und ebendies übertrug sich wie von Zauberhand auf das Publikum.

Eurodance vs. EBM?

Mit pulsierenden Synths, einem rhythmischen Beat und melancholischen Vocals offenbarte „Broken Monsters“ eine dunklere Facette von Ultra Sunn. Der Song thematisiert Zerbrechlichkeit nebst innerer Kämpfe, vermittelt aber dennoch Stärke und Hoffnung. Wie ein Tanz, zwischen Resignation und dem Willen, weiterzugehen. Mittlerweile fiel auf, dass einige Fans vor Ort waren, die textsicher und begeistert mitsangen. Beim Blick auf die Bühne konnte man sich kaum entscheiden, wem von den Dreien man nun am liebsten zusah. Waren sie doch jeder für sich und doch auch gemeinsam sehr präsent. Sams klare, angenehme Stimme kam bei dem Song besonders schön zur Geltung. In „Lost & Found“ traf Eurodance-Sound auf treibende EBM-Klänge. Die Mischung klingt schräg? Das Gegenteil war der Fall, denn die Genres verschmolzen miteinander und man hatte wahrlich keine Chance, stillzustehen.

Im Bann…

Selbst Eskil Simonsson ließ es sich nicht nehmen, zwischendurch einen Blick auf die Bühne zu erhaschen. Nachklingend blieb die prägnante Single „Can You Believe It?“ im Ohr. Der mantraartige Refrain entfaltete fast schon eine hypnotische Wirkung – großartig! „This is the last song of the night. Thank you for having us. We’re having a great time with you.” Mit “Night is Mine” vollendeten Ultra Sunn ihr kurzweiliges Set. Ein letztes Mal steckten sie ihre alten und nun auch neuen Fans mit ihrer unsagbaren Energie an, ehe die drei nach 40 Minuten beglückt winkend ihre Spielstätte verließen. Der Hype um die Belgier ist wahrlich berechtigt. Sie pusten herrlich frischen Wind in die Schwarze Szene und auch aufgrund ihres Charismas heimsen sie zurecht haufenweise Sympathiepunkte ein.

Ehrvolles Andenken

Am heutigen Abend durfte man sich übrigens auf eine besondere Show von Covenant freuen. Tags zuvor verkündete Eskil in einem Video, dass die Setlist zu 50 % aus Fanwünschen bestehen werde. Vorschläge waren also höchst willkommen. Die Umbaupause dauerte gerade mal 20 Minuten. Besuchte man in der Zwischenzeit den Merchstand, musste man allerdings erstmal schlucken. In den Blick fiel ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift „Take care and control.“ Was es damit auf sich hatte, wurde einem bewusst, als man dazugehörigen Zettel las. Seit 2013 unterstützte Andreas Catjar-Danielsson Covenant als Live-Musiker an den Keys. Am 29. Juli 2024 verlor er leider mit 51 Jahren den Kampf gegen seine langjährige Krebserkrankung. Sein Verlust setzte der Band schwer zu. Mit diesem Shirt schickten sie Andreas einen stillen Gruß. Denn ebendiese Worte sagte der Musiker stets zu der Crew und hiermit sollten sie unvergessen bleiben.

Freie Sicht!

Um 21:30 ging das Licht aus. Nebelschwaden nahmen die Bühne ein und schufen eine geheimnisvolle Atmosphäre. Vor einer riesigen LED-Wand, die blaue Streifen erzeugte, positionierten sich Daniel Myer und Daniel Jonasson hinter ihren Keyboards. Als nach einem einleitenden Klangteppich Eskil Simonsson mit dem Song „Monochrome“ die Bühne betrat, wurde er mit lautem Jubel und freudigen Pfiffen empfangen. Respektvoll verneigte er sich vor seinem Publikum. Gekleidet in einen eleganten schwarzen Anzug mit Weste, Krawatte und seiner charakteristischen silbernen Brieftaschenkette ließ sich der Sänger von den pulsierenden Klängen treiben. Bereits zu dem Refrain breitete sich rundherum ein Wohlgefühl aus. Auf begeisterte Schreie aus der Menge folgte „I Close My Eyes“. Üblicherweise erwartet man bei einem Konzert von Covenant visuell Silhouetten inmitten von Nebelschleiern. Doch wir erlebten einen Abend mit Seltenheitswert, kam die Nebelmaschine doch lediglich spärlich zum Einsatz. Stattdessen konnten wir das Trio zur Gänze bewundern. Wie schön es war, die Bewegungen aber auch die Mimik der drei wahrnehmen zu können. Sanftes Licht aus dem Hintergrund gab zudem lauter selig wirkende Gesichter der Fans preis.

Starke Performance

Mit den Worten „I like to think that some things never die”, kündigte Eskil „Brave New World” an. Auf seine Worte und die wohlbekannten Klänge des Songs reagierte mein Körper mit einer Gänsehaut. Zu der bezaubernden Melodie reckten sich sämtliche Arme seicht hin- und herschwingend in die Höhe. Mit dem nächsten Track kamen die sehnsuchtsvollen Momente zum Erliegen und wurde von frenetischer Partystimmung abgelöst. Tanze frei für „Dead Stars“. Selbst Daniel Jonasson schwang passend zum Takt seine Hüften, während Eskil befreit über die Bühne hüpfte. Covenant bestehen seit 1986. Kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums „Dreams of a Cryotank“ im Jahr 1994 begann Eskil mit seinem Projekt zu touren. Seit dieser Zeit verzaubert der beliebte Schwede seine Fans. Obwohl einige seiner Musikerkollegen mittlerweile Tablets auf der Bühne nutzen, um die Lyrics abzulesen, blieb der Fronter frei von Hilfsmitteln. Fokussiert präsentierte er seine Songs absolut textsicher. Ohne jegliche Ablenkung wusste der Sänger eindrucksvoll zu performen und dies wirkte sich positiv auf die Bindung zwischen der Band und ihrem Publikum aus. Kaum enden wollender Jubel war der Lohn dafür. „So eine große Ehre! Vielen, vielen Dank.“

Raritäten

Das selten gespielte Stück „Thy Kingdom Come“ sorgte ebenfalls für Entzückung. Absolut präzise und kraftvoll erklang der mitreißende Sound aus den Boxen. Auch Eskil war happy „Thank you. So, it’s fun to play songs we haven’t played in a while.” Auch die harten Beats von „Leviathan“ ließen den Dancefloor glühen. Eskil riss die Arme hoch und nahm die kostbaren Momente vollends auf. Bei den technoiden Parts von „No Man’s Land“ versprühte der Sänger pure Energie. Es war einfach herrlich zu sehen, wie galant Covenant die guten alten Zeiten in die Moderne transferierten. Nun war die Zeit für eine Premiere gekommen. „Thank you. This is one of the slower songs that we haven’t ever performed. Now, we perform and share it with you: ,Not to be Here’.” Tiefe Pianoklänge vereinten sich mit Eskils gefühlvoller Stimme. Besinnliche Ruhe breitete sich im Kulttempel aus. Im Raum war es mucksmäuschenstill und die Spannung war zum Greifen nahe. Eskil atmete tief durch und schloss seine Augen: „I need you to love myself. That I need you to be strong.“ Selbst Johansson stand ehrfürchtig gänzlich still an seinem Platz und lauschte den sphärischen Momenten. Zahlreiche Seufzer blieben an dieser Stelle nicht aus.

Ungebremste Leidenschaft

„A song from our second album. Well, it’s a surprise for us, too. The song is called ,Phoenix’.” Die einnehmende Zeitreise setzte ihren Weg also fort. Der eindringliche Synthpop-Track bestach durch seine düstere Atmosphäre und kantig verspielte Sounds. Hunderte Stimmen erklangen beim Refrain von „Bullet“. Eskil ließ seinen Blick in die Menge wandern und zu den Lyrics „As our ashes turn to dust,
we shine like stars“, strahlte er mit seinen Fans um die Wette. Einen besonderen euphorischen Moment löste der nächste Titel in mir aus, den der Fronter mit den Worten „I like to think that we can all be gods”, ankündigte. Es war tatsächlich „Go Film“ – der Track, den ich mir auf den Facebook-Aufruf zur Setlist-Erstellung hin gewünscht hatte. Grelle Strobolights durchbrachen das dunkelblaue Licht, in dem die Bühne erstrahlte. Geradewegs ging es also zurück in das Jahr 1999. Der Spirit aus dieser Zeit war ungebrochen. Direkt sah man wieder stickige, dunkle Clubs vor dem inneren Auge, in denen der Song euphorisch gefeiert wurde. Auch die unsagbare Coolness, die dieser Song innehat, war ungebrochen. Mit „Edge of Dawn“ zog das Tempo nochmal ordentlich an. Daniel Jonasson schnappte sich ein Mikro und stieg stimmlich mit ein. Passionierter hätten Eskil und Daniel den fesselnden Klassiker aus dem Jahr 1994 nicht gemeinsam darbieten können. Im Rhythmus reckten die Fans ihre Fäuste empor. Es waren Momente, die am liebsten niemals enden sollten. „We do one more and then we have a break, thank you. Thanks for the noise!” In „Ritual Noise” bildete Eskils glasklare Stimme einen wunderbaren Kontrast zu dem verfremdeten Gesang. Unter tosendem Applaus verließen Covenant für eine klitzekleine Verschnaufpause die Bühne.

Routine? Fehlanzeige!

„Müsst ihr nicht zu euren Kindern nach Hause?“, fragte Daniel Myer kess. Auf die irritiert vergnügte Reaktion des Publikums hin ging es munter weiter. „This song is called ,Invisible & Silent‘.“ Mit seiner ruhigen aber intensiven Stimmung hauchte die Ballade dem Kulttempel besinnliche Augenblicke des Glücks ein. Eine zunächst ungewohnte Melodie führte uns bewusst auf eine falsche Fährte. Doch unlängst setzten die ersten Beats von einem Song ein, der live einfach nicht fehlen darf: „Der Leiermann“. Jede Zeile wurde mitgesungen. Obgleich man den beliebten Hit schon so oft gehört hat, bot Eskil diesen mit solch einer Leidenschaft dar, dass unerwartet die nächste Gänsehaut folgte. „Vielen Dank. Tonight we have the fires! It’s a very brightly song. Thank you. Oh, but first, there’s a surprise song.” „Voices” von „Dreams of a Cryotank” versetzte alle ungebremst in Ekstase. „I’d like to see you soon, again”, folgerte Eskil. Jetzt folgte aber der Song, den der Sänger mit seiner Ansage zunächst ankündigen wollte: „Call the Ships to Port“. Ein Abriss war hier gewiss. Die Wadenmuskeln der Fans wurden fortwährend hüpfend herausgefordert. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft wir diesen Banger bei voller Lautstärke samt offenem Kofferraum verehrt haben, als dieser 2002 herauskam. Als die Band unangekündigt erneut verschwand war uns bereits klar, dass das Grande Finale noch bevorstand.

Happy End

Ganz allein kam Eskil Simonsson nochmal zu uns zurück, um a cappella „Happy Man“ darzubieten. Doch auch den beiden Daniels blieb ein letztes Wiedersehen mit ihren Fans nicht verwehrt. „We Stand Alone“ bildete also den Abschluss für das zweistündige Set von Covenant. Der kraftvolle Synthpop-Song glänzte mit emotionaler Tiefe, empowernden Lyrics und einer energetischen Klanggestaltung. Glücksgefühle flirrten durch den Raum, während Eskil ein letztes Mal beseelt tanzte. Lachend klatschte er für sein Publikum, eher er auf seine Mitstreiter zeigte er vergnügt im Backstage-Raum verschwand. Zur Erinnerung an diesen schönen Abend machten die beiden Daniels noch ein Selfie mit dem Publikum. Andreas wäre bestimmt stolz auf seine Jungs gewesen!

Setlist ULTRA SUNN:
„The House“ (Intro) • „Some Ghost Could Follow“ • „Young Foxes“ • „The Speed“ • „Broken Monsters“ • „Lost & Found“ • „Out of the Cage“ • „Can You Believe It?“ • „Keep Your Eyes Peeled“ • „Night Is Mine“

Setlist COVENANT:
„Monochrome“ • „I Close My Eyes“ • „Brave New World“ • „Dead Stars“ • „Thy Kingdom Come“ • „Leviathan“ • „No Man’s Land“ • „Not to be Here“ • „Phoenix“ • „Bullet“ • „Go Film“ • „The Last Dance“ • „Edge of Dawn“ • „Ritual Noise“ ••• „Invisible & Silent“ • „Der Leiermann“ • „Voices“ • „Call the Ships to Port“ ••• „Happy Man“ (A capella) • „We Stand Alone“

Text: Nadine Kloppert
Photos: Michael Gamon

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