So war es bei HELDMASCHINE

11. Oktober 2025, Hamburg, Logo
Support: Stoneman
Es gibt Bands, die brauchen keine großen Erklärungen mehr – nur einen Namen, einen Puls und ein kollektives Nicken. Heldmaschine gehören in diese Kategorie. Eine Formation, die längst ihren eigenen Platz zwischen Industrial-Metal, NDH-Härte und futuristischer Bühnenästhetik zementiert hat. Ein Klang aus kalten Flächen, harten Riffs, Maschinenrhythmen und klarer, unverschlüsselter Energie. Sie spielen präzise. Direkt. Ohne Schnörkel. Ihre Shows sind keine Konzerte – sie sind ein Hochdruckraum, in dem Sound, Licht und Körper zu einem einzigen System verschmelzen. Doch dieses Mal war etwas anders. Statt großer Hallen und Bühnen mit weitem Raum entschied sich die Band dafür, dem Publikum nahe zu kommen. Hamburg. Logo. Eng. Direkt. Restlos ausverkauft. Kein Zentimeter Luft, nur Menschen, Hitze, Atem. Ein Raum, der alles fordert – und alles zurückgibt. Die Entscheidung, diese Tour auch in kleineren Clubs zu fahren, war nicht nur mutig, sondern goldrichtig: Näher am Publikum kann man nicht spielen.
Wer hier atmet, gehört dazu
Stoneman aus der Schweiz eröffneten den Abend – allerdings nicht in der gewohnten Gitarren-Konfiguration, sondern mit einem reduzierten, elektronisch fokussierten Set, unterstützt von einer Keyboarderin, die die Bühne mit kühler Präsenz und präzisen Bewegungen füllte. Es war anders als gewohnt – nicht weniger kraftvoll, aber synthetischer, roher, direkter. Sie gingen mit dem „He-Man Intro“ in den Raum, als würde der Abend bewusst aufgeladen werden – ein Zündfunke. „Eiskalt“, „An die Geräte“ und „Ferrari Pferd“ folgten im schnellen, fast mechanischen Fluss; klare Beats, ein Rhythmus wie ein stoisches Herz, das gegen die Wände des Clubs drückt. „Liebe Liebe“, „Wahnsinn“ und „Dein General“ bauten die Körpertemperatur der Menge weiter hoch, während draußen mehr nach Einlass begehren. „Goldmarie“, „Der Rote Vorhang“, „Wer ficken will“ und „Mord ist Kunst“ schlossen das Set mit genau der Mischung aus Provokation und Szene-Attitüde, die man von Stoneman erwartet – doch hier wirkte es verdichteter, wie durch ein Brennglas gezogen. Einheizer im besten Sinne. Das Hamburger Publikum war nicht warm, es war bereit.
Nähe, Druck, Energie
Noch bevor ein Ton erklang, lag Spannung im Raum wie ein vorgehaltener Atem. Das Logo war längst ein geschlossenes Gefüge – eng, vertraut, dicht und Nebel kroch über die Bühne, als wäre er schon immer dort gewesen. Und genau hier setzte im nächsten Schritt die Setlist-Dramaturgie von Heldmaschine an – Song für Song, Szene für Szene, Bild für Bild. Kein Countdown, keine Ansage. Nur das Aufblitzen der LED-Brillen, ein kalter futuristischer Blick, der aus dem Dunkel schnitt. Und dann – die ersten Takte von „Eiszeit“. Präzise. Hart. Kalt. Doch die Kälte war nicht abweisend. Sie zog an. Sie öffnete. Sie ließ die Menge näher rücken. Eine Atmosphäre wie in einer Druckkammer, in der jeder Atemzug Teil des Kollektivklangs wurde. „Schlag mich“ folgte ohne Verzögerung, ein körperliches Stück, das gleich zu Anfang fordert – Hände oben, Körper dicht, Stimmen gleichgeschaltet. „Wer einmal lügt“ griff diesen Puls auf, biss, schraubte, richtete sich auf wie eine Haltung, die man nicht mehr ablegt. Mit „Hand in Hand“ kippte die Stimmung ins Gemeinschaftliche – kein Pathos, keine Überhöhung. Einfach Nähe. Körper an Körper, Schulter an Schulter, ein Chor ohne Ansage. „Raus“ schob danach alles vor sich her, was noch Zurückhaltung war. Das Logo vibrierte. Boden, Wände, Brustkorb – alles im selben Takt.
Lauter als Zweifel, schärfer als Erinnerung.
„Karl Denke“ brachte diesen Moment, in dem Show und Erzählung ineinander greifen. Dunkelheit, historische Schwere, industrielles Pochen. Eine düstere Gestalt, keine Fiktion – doch hier wurde sie zur Projektion unserer Schatten. Bei „Nur ein Lächeln“ stand René Anlauff am LED-Mikroständer – eine Mischung aus Performer und Dirigent. Der Raum war fokussiert. Kein Geräusch von außen drang hinein. „Bestie“ ließ Fahnen im Publikum aufgehen – schwarz, schwer, mit Stolz geschwenkt. Kein patriotischer Eifer. Sondern Zugehörigkeit. Mit „Die Maschine spricht“ zog eine fast mathematische Präzision ein. Takt. Wiederholung. Körperrhythmus. Das Publikum bewegte sich wie ein einziger Organismus. „Ich will dein Bestes“ endete in einem treibenden Schlagzeugsolo, das in der Enge des Clubs wie eine körperliche Attacke wirkte.
Der Bruch. Die Stille. Die Rückkehr.
Dann ein Moment völliger Reduktion: „Where Is My Mind?“ – akustisch, Rene mit Gitarre. Es war kein Bruch, es war ein Atemzug. Ein Erinnern daran, dass hinter der Maschine Menschen stehen. Verletzlichkeit. Weite. Ein kurzer Blick aus dem Dunkel heraus. Was dann kam, bleibt haften: „Monoton“ – die Band in weißen Westen und weißen Masken, Schulter an Schulter an einem überlangen Keyboard, Schwarzlicht, rote Laserstrahlen, die wie ein Vorhang nach oben schnitten. Ein Bild, das sich nicht nur sieht, sondern einprägt. Sakral, kühl, perfekt. „Sexschuss“ brachte die VR-Brillen – Zukunft, Verzerrung, Cyberpunk-Ästhetik. „Sehnsucht“ traf anschließend umso tiefer, wärmer, menschlicher. „Radioaktiv“ explodierte im Raum, als René den Laserkragen trug – grüne Strahlen, die wie Sporen durch den Nebel wanderten. Kein Show-Abstand. Seine Laserstrahlen waren im Publikum, mitten unter uns. Mit „Schachmatt“ im Anschluss kam dann sein Megaphon mit Laserstrahlen und sein Befehl, seine Geste, im Publikum nur Aufbegehren. „Webterrorist“ schloss vorläufig den Konzertabend – nicht als Ende, sondern als Stellungnahme.
Zugabe – kein Ende, sondern Nachglühen
„Luxus“ eröffnete den Nachschlag – und Heldmaschine-Geldscheine flogen über die Menge. Man hätte es für Ironie halten können, wäre da nicht dieses Funkeln in den Augen des Publikums: Wir wissen, was echt ist. Was bleibt. Was zählt. Mit „®“ manifestierte sich die Selbstidentität: Marke, Maschine, Haltung. „Meine Welt“ schließlich legte die Oberfläche frei – roh, laut, direkt. Ein letzter gemeinsamer Atemzug, bevor der Nebel sich endgültig auflöste.
Warum gerade dieses Konzert zählt
Heldmaschine sind für größere Bühnen gebaut. Für große Shows, Flammen, Weite, Stahl. Doch im Logo – diesem legendären, engen, ehrlichen Club – funktionierte die Show noch intensiver. Ohne Distanz. Ohne Fluchtmöglichkeit. Hier war kein Zuschauer – hier war nur Teilhabe. Die Entscheidung, die „Eiszeit“-Tour 2025 in Hamburg so intim zu fahren, war richtig. Näher am Publikum kann man nicht sein. Und manchmal braucht eine Maschine genau das: Körperwärme. Nähe. Menscheln im Metall. Dieses Konzert war kein bloßer Tourstopp. Es war ein Rückgratmoment – ein Abend, an dem eine Band zeigte, wer sie ist, wenn man ihr die großen Bühnen nimmt und sie direkt vor die Menschen stellt. Ohne Schutz, ohne Abstand, ohne Raum für Dekoration. Heldmaschine funktionierten im Logo nicht trotz der Enge – sondern wegen ihr. Weil hier alles echt ist: Schweiß, Nähe, Blickkontakt, Puls. Weil sich hier entscheidet, ob das, was man tut, trägt – oder fällt. Und dieser Abend trug. Stark. Klar. Brennend.
Text & Fotos: Thomas Friedel Fuhrmann – sieht im Dunkeln nicht weniger, sondern mehr
Setlist Stoneman
„He-Man Intro“ • „Eiskalt“ • „An die Geräte“ • „Ferrari Pferd“ • „Liebe Liebe“ • „Wahnsinn“ • „Dein General“ • „Goldmarie“ • „Der Rote Vorhang“ • „Wer ficken will“ • „Mord ist Kunst“
Setlist Heldmaschine
„Eiszeit“ • „Schlag mich“ • „Wer einmal lügt“ • „Hand in Hand“ • „Raus“ • „Karl Denke“ • „Nur ein Lächeln“ • „Bestie“ • „Die Maschine spricht“ • „Ich will dein Bestes“ • „Where Is My Mind? “ • „Monoton“ • „Sexschuss“ • „Sehnsucht“ • „Radioaktiv“ • „Schachmatt“ • „Webterrorist“ ••• „Luxus“ • „®“ • „Meine Welt“

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