Live erlebt: KITE

Bericht vom 24. September 2024, Köln, Gebäude 9
Photos vom 20. September 2024, Hamburg, Reeperbahn-Festival, Knust

Der Spätsommer war nun schlagartig vorbei. Nachdem man zuletzt noch bei angenehmen Temperaturen seine inneren Sonnenakkus aufladen konnte, um für den Herbst gewidmet zu sein, hielt nun ungemütlicher Nieselregen Einzug. Zudem war es undenkbar, ohne Jacke vor die Tür zu gehen. Auf einem ehemaligen Fabrikareal in Köln Deutz ging es also mit Schirm zum Gebäude 9. Kite und Henric de la Cour machten auf ihrer aktuellen Tour auch in der Rheinmetropole Halt.

Herzlich willkommen

Im Jahre 2008 haben Sänger Nicklas Stenemo und Keyboarder Christian Hutchinson aus Schweden ihre Band Kite gegründet. Sollte dies ein weiteres Synth-Pop-Projekt sein, das kommt und geht, vielleicht mal einen einzigen Hit als One-Hit-Wonder schreibt? Keineswegs! Mit ihrem feinen Gespür für große Momente und ihren beispiellosen Liveauftritten hat sich das Duo einen festen Platz in der elektronischen Szene erarbeitet. Und hat man Kite bereits auf der Bühne erlebt, entkommt man den mal zarten, mal opulenten Sounds von Nicklas und Christian ohnehin nicht mehr. Was im Gebäude 9 dann direkt auffiel, war das angenehm freundliche Personal. Egal an welcher Stelle man auf Mitarbeiter traf, jeder war augenscheinlich gerne hier. Vergnügt wurde man angelächelt, hier und da hatte man einen flotten Spruch auf Lager – sofort fühlte man sich willkommen. Ebenso sympathisch war auch das Publikum an diesem Abend. Bei entspannter Stimmung kam man leicht miteinander ins Gespräch und die Wartezeit verging wie im Nu.

Es werde Licht

Nach dem 30-minütigen Set von Henric de la Cour folgte eine halbstündige Umbaupause. Dabei wirkte es fast so, als müsste man das Keyboard des Special-Guests aus dem perfekt arrangierten Setting herausoperieren. Auf mehreren Ständern und diversen Etagen waren zahlreiche Keyboards von Kite positioniert. Zudem waren ringsherum LED-Leuchtstoffröhren, Strahler und Lampenschirme zu sehen. Bei gänzlich vollem Haus fasst das Gebäude 9 übrigens 400 Gäste. Ausverkauft war der Club an dem Abend zwar nicht – für einen Dienstag war dieser jedoch redlich gut gefüllt. Mit dem 8-minütigen Opener „Remember Me“ stimmten uns Kite dann auf ihren Auftritt ein. Im Raum war es stockfinster. Doch passend zu den Rhythmen bewegten sich bereits die hellen LED-Lichter im Takt. Nebel stieg auf und zwischen dem Duo bahnte sich ein weißer Lichtstrahl seinen Weg über die gespannte Menge hinweg. Von Beginn an stimmten die Fans textsicher mit ein. Der sphärische und melodisch starke Track „Changing“ versetzte die Fans umgehend in Bewegung. Unterdessen lieferten die Schweden eine wilde Performance ab. Christian bespielte zwischendurch gar mit ausgestreckten Armen zwei verschiedene Keyboards, die jeweils links und rechts neben ihm standen.

Entfachter Zauber

Völlig überraschend spielten Kite dann plötzlich einen ganz neuen Song. „Heaven & Hell“. Voller Gefühl und teils mit geschlossenen Augen sang Nicklas die Zeilen dieser bezaubernden Synthpop-Hymne. Schon zu Beginn fiel auf, wie weit sich ein Konzert aber auch der Sound der Band vom musikalischen Einheitsbrei so mancher Kollegen entfernte. Umso leichter fiel es einem, sich gänzlich auf diesen erfrischenden Stil einzulassen. „I Can’t Stand“ kam druckvoll mit EBM-Elementen und flackernden Strobo-Lights daher. „The Rhythm“ löste begeisterte „Woohoo“-Rufe in der Menge aus. Treibende Beats umhüllten Stenemos durchdringende klare Stimme. Springend und ausgelassen gab er sich dabei den elektronischen Klängen hin. Und doch gelang es ihm immer wieder direkten Blickkontakt zu seinen Anhängern aufzunehmen.

Botenstoffe des Glücks

Ruhige Töne schlug das Duo dann mit „Glassy Eyes“ an. Umgeben von warmen Lichtern in Gelbtönen wurde es nun richtig melancholisch. Voller Leidenschaft präsentierte uns der Sänger die dramatische Ballade über emotionale Leere und Erschöpfung. Da sich mittlerweile eine ordentliche Hitze im Club aufgebaut hat, war es sehr angenehm, kurz durchatmen zu können und den Song sanft hin und her wiegend auf sich wirken zu lassen. Und bevor bedrückte Stimmung die Runde machte, gingen die Arme zu „True Colours“ in die Höhe. Prägnante Rhythmen und atmosphärischer Sound ließen unsere Gedanken umherschweben. Obgleich Nicklas hohe Stimme in „Don’t Take the Light Away“ mit einem Autotune versehen wurde, fesselte einen das Stück sofort. Perfekt arrangiert baute sich die mitreißende Dancefloor-Nummer beeindruckend auf und zu den ausgelassenen Bewegungen stieg die Stimmung im Club analog an. Wären Endorphine sichtbar, hätte man diese im Licht gemeinsam mit uns tanzen sehen. Zum Dank quittierten wir der Band lautstarken Jubel.

Alles fließt…

Etwas gemäßigter, aber nicht weniger intensiv wirkte „Dance Again“. Zu der lieblichen Melodie schlossen gar einige Fans ihre Augen, um den Moment gänzlich verinnerlichen zu können. Während sich das Licht violett und grün einfärbte, drangen die markanten E-Drums von „Jonny Boy“ zu uns durch. Die fröhliche Klangfolge des Songs zauberte einem das nächste Lächeln ins Gesicht. Mittlerweile ignorierte man vor und auch auf der Bühne die feucht-heiße Luft im Raum. Der energiegeladenen Musik nebst der fantastischen Stimmung konnte man sich einfach nicht entziehen. Ab der ersten Sekunde deutete sich mit „Panic Music“ eine zündelnde Tanzgranate an. Einzig der ruhiger gestaltete Mittelteil ermöglichte es einem, die Eindrücke der sagenhaften Lightshow und der starken Bühnenpräsenz des Duos kurz sacken zu lassen. Schon schienen Sound und Lichter wieder zu explodieren und die Menge mit sich hinfort zu tragen. Phänomenal!

Großzügige Spende

Ebenso wie am Anfang erleuchtete wieder der weiße Strahl zwischen den Musikern. Für den Closer erschien neben Nicklas Henric de la Cour für ein gemeinsames Duett. Das Stück „Losing“ haben die Musiker ohnehin gemeinsam geschrieben. Zu den ruhigen Klängen des sehnsuchtsvollen Songs harmonierten die Stimmen beider Sänger absolut perfekt. Nach einer höflichen Verbeugung und einem dankbaren Luftkuss verabschiedeten sich die Künstler nach 65 Minuten. Wer hier irritiert war – Kite setzen bewusst auf kurze, aber prägende Konzerte. Schon kurz, nachdem das Licht anging, wurde der Merchandisingstand geradezu überrannt. Trotz der stattlichen Preise gingen hier reihenweise Textilien und LPs über den Verkaufstisch. Man muss aber sagen, dass die Qualität wirklich hervorragend war. Nach nur wenigen Augenblicken ließen sich auch die drei bestens gelaunten Musiker blicken, um ihren Anhängern für gemeinsame Fotos, Autogramme und kurze Smalltalks zur Verfügung zu stehen. Es war eine Freude dem munteren Geschehen zuzusehen. In einem unbedachten Moment verschüttete Christian versehentlich eine Flasche Cola auf einer Handvoll Shirts. Sein kleiner Fauxpas sorgte für Erheiterung. Spontan schnappte er sich die nasse Ware und verschenkte sie kurzerhand an die überaus glücklichen Fans. Diese freuten sich sichtlich über die unerwarteten Erinnerungsstücke. Mögen Sie lange etwas davon haben.

Fazit:

Für ein Konzert entließen uns die Schweden zwar wieder recht früh zurück in die Nacht. Aber in dieser kurzen Zeit geschah etwas Besonderes. Voller Seligkeit fiel einem draußen wieder auf, wie schön die dritte Jahreszeit sein kann. Schließlich entsteht hier diese sonderliche Melancholie, wodurch einen Erlebnisse oder kleine Momente nochmal intensiver berühren. Jetzt darf der Herbst kommen!

Setlist KITE:

„Remember Me“ • „Changing“ • „Heaven & Hell“ • „I Can’t Stand“ • „The Rhythm“ • „Glassy Eyes“ •  „True Colours“ • „Don’t Take the Light Away“ • „Dance Again “ • „Jonny Boy“ • „Panic Music “ • „Losing“ (feat. Henric de la Cour)

Text: Nadine Kloppert
Photos: Thomas Friedel Fuhrmann

Sieh Dir unsere Bildergalerie mit Photos vom 20. September 2024, Hamburg, Reeperbahn-Festival, Knust an: