So war es bei NACHTMAHR

Support: Phosgore, Reaper
Oberhausen, Kulttempel, 21. November 2025
Üblicherweise gibt es zur Volljährigkeit eine große Torte, zahlreiche Verwandte, die gratulieren, und vielleicht sogar das erste von den Eltern finanzierte Auto. So weit, so langweilig. Wenn Thomas Rainers Projekt Nachtmahr die 18 erreicht, sieht das etwas anders aus. Zwei Sondershows sollten es in Oberhausen und Dresden sein, die mit hemmungslosem Hedonismus und Ausschweifungen auf dem Pfad des Verbotenen im Vorfeld beworben wurden. Vielleicht nicht ganz so familienfreundlich.
An diesem 21. November im Kulttempel in Oberhausen bei knackig kalten 2 Grad Außentemperatur begann der Geburtstag bereits um 19:00 Uhr für die Glücklichen, die rechtzeitig ein Ticket für das ausverkaufte Fantreffen ergattern konnten. So bestand die Möglichkeit sich noch vor Konzertbeginn ausgiebig mit der Band und anderen Fans zu unterhalten, in der bereitgestellten Fotoecke ein Bild als Erinnerung von sich und der mitgebrachten Begleitung machen zu lassen und auch das eine oder andere Ehrentag-Mitbringsel loszuwerden – schließlich macht man mit einem trockenen Wein nie etwas falsch. Nachtmahr präsentierten sich als perfekte Gastgeber und nahmen sich viel Zeit für Gespräche und Selfies mit den teils in Uniformen herausgeputzten Anwesenden, bevor um 20:00 Uhr die Türen für das weitere Publikum geöffnet wurden.
Etwa eine halbe Stunde später eröffneten Phosgore als erster Support-Act die Bühne. Das 2008 gegründete Projekt, das durch seinen kompromisslosen Sound mit harten elektronischen Beats besticht, prügelte seine Bässe mit Bangern wie „20 Ways to Kill Someone“ auch in den hintersten Winkel der Venue. Zum Anlass des Abends hatten sie natürlich auch „Geschenke“ mitgebracht und warfen passend zum Track „Fuck You“ Kondombriefchen mit der Aufschrift „don’t fuck with Phosgore“ in die Menge.
Eine Verschnaufpause gab es für die Partymenge nicht. Denn um halb zehn ging es bereits mit Reaper weiter, die mit martialischem Make-up die Stage enterten. Songs wie „The Devil Is Female“ mussten schließlich nicht nur stampfend betanzt, sondern auch lautstark mit gegrölt werden. Viel Zeit zum Plaudern zwischen den Nummern blieb nicht: „Der Zug hat keine Bremse – wir haben doch keine Zeit.“ Zum Glück aber genug, um auch den Hit „Robuste Maschinen“ ganz neu aufgelegt zum Besten zu geben, was auf schier endlose Begeisterung stieß.
Der Puls ließ sich während des Umbaus für den Hauptact mit einem Besuch an der Bar oder am Merch-Stand auf Normalniveau senken. Kraft schöpfen für den „Supreme Commander“, für den einige Supporter tatsächlich sogar mehr als drei Stunden Anfahrt auf sich genommen hatten.
Dann war der große Moment gekommen und Nachtmahr betraten unter tosendem Applaus und Gejohle die Bretter mit „Wir schreiben Geschichte“. Und mit 18 Jahren selbiger auf dem Buckel auch gar nicht so weit her geholt. Thomas Rainer kündigte, um beim Thema zu bleiben, das zweite Stück „Tanzdiktator“ mit den Worten an, dass dies „wahrscheinlich das ist, mit dem wir am meisten Geschichte geschrieben haben“. Zu jedem gelungenen Live-Auftritt des Projekts gehören natürlich neben Mastermind Thomas und Vrolok LaVey auch die „Mädchen in Uniform“. Thenia und Kat bekamen an diesem Abend tatkräftige Unterstützung von Performerin Ostara, die vor allem als Vampirin zu „Unsterblich“ einen eindrucksvollen Auftritt hinlegte. Kunstblut inklusive. Musikalisch durfte man sich auf eine Zeitreise durch 18 Jahre Nachtmahr-Songs begeben. Von den Anfängen mit „Ein Spiel“, das Thomas damals auf MySpace unter dem Vorhaben veröffentlichte, dass es nicht mit L’Âme Immortelle in Verbindung gebracht werden sollte, wie er erklärte, bevor das Stück einsetzte, über politische Statements gegen Nazis wie „Die Fahnen unserer Väter“, zu dem die Damen Fahnen schwenkten, bis hin zu aktuellen Stücken wie „Sirenen“. Zudem durften sich die Zuschauenden darüber freuen, den bis zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten neuen Titel „Der Schlaf“ erstmals genießen zu dürfen. Kurz vor Schluss gaben Kat und Thenia an den Drums nochmal alles zu „Katharsis“, so dass man vom Zuschauen schon kurz vor der Sehnenscheidenentzündung stand. Die Zugabe erfolgte ohne den üblichen Bühnenabgang, den man sonst von Musikschaffenden kennt, sondern mit einer kurzen Ankündigung seitens des Chefs, damit auch im Nachhinein niemand behaupten würde, es hätte sie nicht gegeben – normal kann halt jeder. Mit „Schwarzflug“ und „Helden“ verabschiedete man sich von einer gelungenen Sause und in die abschließende „EBM meets Synth & Future Pop“-Aftershow-Party des Kulttempels. So kann man die Volljährigkeit doch tatsächlich auch ganz ohne Torte feiern.
Text: Fabienne Wiedmann
Photos: blende666
Setlist:
• „Wir schreiben Geschichte“ • „Tanzdiktator“ • „Weil ich’s kann“ • „Deus Ex Machina“ • „Ein Spiel“ • „Karussell“ • „Mädchen in Uniform“ • „Nicht wie sie“ • „Der Schlaf“ • „Rise and Fall“ • „Die Fahnen unserer Väter“ • „Liebe, Lust und Leid“ • „Sirenen“ • „Keine Lieder“ • „Firmament“ • „Mörder“ • „Can You Feel The Beat?“ • „Katharsis“ ••• „Schwarzflug“ • „Helden“
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