ROCK AM RING 2024 mit MÅNESKIN, COREY TAYLOR, MACHINE HEAD u.v.m. (Teil 3/3)

Sonntag, 09. Juni 2024 – bockstarker Finaltag! 

Noch einmal galt es, sich vor der Mittagssonne zu schützen. Während ich bedächtig auf Sonnencreme und einen schattenspendenden Sommerhut setzte, hinterließ der Leichtsinn bei einigen Festivalbesuchern mittlerweile Sonnenbrände in diversen Varianten. Ein törichter Ringrocker hat sich gar mit einem Tape die Abkürzung „RaR“ auf seinen freien Rücken geklebt. Entstanden ist ein puterrotes Andenken samt des weißen Schriftzuges.

Gerüchteküche

Mein Honigkuchenpferdchen-Modus hielt auch am Finaltag an. Generell schien eine Glückswolke über dem gesamten Gelände zu schweben. Obgleich dem Publikum von Laien, die nie vor Ort waren, ein gewisses „Malle-Flair“ angeheftet wird, kann dieses Gerücht keineswegs bestätigt werden. Auf dem Gelände war ein sehr angenehmes Miteinander wahrzunehmen. Man lachte, feierte und tanzte gemeinsam. Liebevoll pimpte man einst Fremde mit funkelnden Glitzer-Verzierungen. Herumpöbelei? Fehl am Platz. Hinter der Hauptbühne prangt auf einem Hügel die schicke Burg Nürburg. Diesen Anblick genoss man besonders gerne, während die Sonne allmählich unterging und sich der Abendhimmel von seiner schönsten Seite zeigte. Zudem ist die Sicht auf alle drei Bühnen wirklich gut. An der Mandora- und der Orbit-Stage ist das Gelände sogar leicht abschüssig, so dass der Blick angenehm frei ist.

Ohne Scheu

Apropos Bühne – an der Mandora-Stage wurde am letzten Tag ein hoher Steg aufgebaut, der weit in die Mitte hineinragte. Mit „Sandstorm“ von Darude läutete ein wirklich unerwartetes Trance-Intro den Auftritt von Atreyu ein – spätestens jetzt waren die letzten müden Geister hellwach.Ganz artig stellten sich die Jungs der Menge vor und kündigten an, lediglich eine Regel für den heutigen Tag zu haben und diese lautete: Spaß.Und die Kalifornier wussten auch den Steg zu nutzen.Lediglich ihr Drummer verweilte gezwungenermaßen an seinem Platz. Der Rest der Metalcore-Combo hielt sich abwechselnd oder gleichzeitig auf dem zusätzlichen Bühnenelement auf und die Band genoss ihre Nähe zur Menge sichtlich. Sänger Brandon Saller genügte dies noch nicht. Ohne Vorwarnung bahnte er sich seinen Weg ins Publikum und machte eine lässige Ansage „Circle pit around me, my friends!“ Gesagt, getan. Eifrig umrundeten zahlreiche Besucher den mutigen Frontmann. Den Track „Battle Drums” widmeten Atreyu frech und provokant einer besonderen Persönlichkeit: „Put your middle finger in the air. This song is for Lars from Metallica.” Generell kam die prächtig gelaunte Truppe bestens beim Publikum an. Selbst nach der Verabschiedung wollte sich Gitarrist Dan Jacobs gar nicht von der Bühne lösen, so dass ihn Brandon kurzum Huckepack nahm und einsammelte.

Atreyu

Volle Breitseite

Of Mice & Men – ebenfalls aus Kalifornien schlugen musikalisch gesehen in die gleiche Kerbe. Aaron Pauley wechselte seinen charismatischen Klargesang mit stimmgewaltigen Screams ab und die Fans der Band stellten ihre Textsicherheit zuverlässig unter Beweis. Einzig schade war es, dass die Musiker ihren gewohnten Plätzen auf der Bühne treu blieben und ihr Fronter erst im Laufe des Gigs zaghafte Ausflüge auf den Steg unternahm. Dennoch boten die Jungs ein starkes Set. Herrlich frischen Wind brachten Hanabie auf der Orbit-Stage herein. Für die Nachmittagszeit war die dritte Bühne ungewohnt stark frequentiert. Das weibliche Quartett aus Tokio setzte auf einen gelungenen Mix aus Metalcore und J-Pop. Ihre farbenfrohen Harajuku-Outfits wurden übrigens eigens von der Bassistin Hettsu angefertigt. Bei Songs wie „Girls Talk“ oder „Tousou“ sprang der Funke über. All die positive Energie der Japanerinnen wirkte einfach ansteckend. Ihr Rock-am-Ring-Debüt war für alle Beteiligten ein voller Erfolg.

Kopf oder Zahl?

Am Sonntag hatte man nochmal die Qual der Wahl – überschnitten sich doch genregleiche Bands wie Landmvrks und While She Sleeps, aber auch Fear Factory und Machine Head. Beim ersten Duell konnten Landmvrks aus Marseille jedenfalls deutlich mehr Crowdsurfer verbuchen. Hier hatten die Securities wahrlich alle Hände voll zu tun. Alle paar Sekunden galt es, die euphorischen Fans über die Bande zu hieven. Lawrence ,Loz‘ Tylor, Sänger der Engländer While She Sleeps,ließ sich aber auch nicht lumpen. Um die Schlagzahl der dortigen Crowdsurfer anzukurbeln, schmiss er sich einfach selbst in die Menge. Dabei rollte er sich über den Köpfen seiner Anhänger hinweg mehrfach um die eigene Achse und ließ sich gar kniend in die Luft emporhalten. Mangelndes Engagement konnte man ihm wirklich nicht unterstellen. Zahlreiche Pyroeffekte rundeten das Hit-Feuerwerk der Band eindrucksvoll ab.

While She Sleeps

Wiederholungstäter

Wie spontan die Veranstalter des Festivals auf eine Schnapsidee reagieren konnten, zeigte der erneute Überraschungsauftritt der Donots. Mit einem selbst gemalten Flyer machten sie via Instagram auf ihre Aktion aufmerksam. Auch auf dem Gelände verteilten sie Werbezettel für ihre Hauruck-Aktion. Auf einem überdimensionalen weißen Laken wurde kurzerhand mit schwarzer Sprühfarbe der Bandname verewigt. Dann ging es auch schon los und während einer Umbaupause enterten die Donots neben der Utopia-Stage eine mobile Scherenbühne, die sie hoch in die Luft verfrachtete. Mit der Ausrede, am Vortag ja gar keine Zugabe gespielt zu haben, begeisterten die Alternative-Rocker also erneut die Massen. Mit Coversongs wie „Song 2“ von Blur und „We’re Not Gonna Take It” der Twisted Sister stieg das Publikum sofort vergnügt mit ein. An diesem Wahlabend zeigten die Ibbenbürener zudem klare Kante gegen Rechtsextremismus.

Donots

Neue Ära

Die Industrial-Metaller von Fear Factory waren fortan bereit, die Orbit-Stage zum Glühen zu bringen. Ihr Auftritt mitsamt ihres neuen Sängers Milo Silvestro erntete eine Menge Respekt. Dachte man vorab, die riesigen Fußstapfen des vormaligen Fronters Burton C. Bell könnten eine Nummer zu groß sein, wurde man schnell eines Besseren belehrt. Jammerschade war, dass der Bereich vor der Bühne eher spärlich gefüllt war. Wer sich aber entschieden hat, dem Gig eine Chance zu geben, wurde kräftig belohnt. Als Fan der Band verwirklichte sich für den Italiener ein Traum, als er die Zusage erhielt, künftig das Mikro von Fear Factory zu übernehmen. Nun hieß es für uns „Welcome to the new era of Fear Factory.“ Milo senkte nicht nur schlagartig den Altersdurchschnitt der Combo – auch stimmlich hatte er einiges zu bieten. Ab der ersten Minute war der Spaßfaktor echt hoch. Der Sound war gewohnt brachial. Milo zeigte sich präsent und stand seinen Mitmusikern in nichts nach. Sobald er zum Cleangesang überwechselte, ging einem dieser durch Mark und Bein. Ebenso wie Dino Cazares an der Gitarre und Tony Campos am Bass fand der Neuling schnell einen Zugang zum Publikum. Wer hier vor Ort war, konnte sich wahrlich glücklich schätzen und zu Bangern wie „Demanufacture“, „Zero“ oder „Replica“ hart abfeiern. Schnell entstand der Wunsch, die Jungs eines Tages auf einer Tour wiedersehen zu wollen. Fear Factory sind wieder da und ihr Auftritt gehörte zu den unerwarteten Highlights des Festivals.

Fear Factory

All in

Fett, fetter, Machine Head! Nebenan auf der Mandora-Stage ging es bereits heiß her. Hier war die Show der Metal-Urgesteine bereits voll im Gange. Und die Kalifornier haben einiges aufgefahren. Das üppige Drumset von Matt Alston stand auf einer Empore, unzählige Strahler rückten die Bandmitglieder in das ideale Licht und die Mannen selbst trugen aufwendig verzierte, dunkle Jeans-Outfits mit Patches, Nieten, Bändern und Federn. Etliche Feuerschübe und Nebelsäulen begleiteten die Show der Jungs. „It is time for the biggest circle pit on this weekend. Spread out, push back! This is ,Chøke øn the Ashes øf Yøur Hate‘.“ In der Mitte des gigantischen Pits schwang ein verkleideter Koch seinen imaginären Kochlöffel. Zu blitzschnellem Drumspiel und brettharten Gitarrenklängen drehten die Ringrocker turbulent ihre Runden. Zur Abkühlung warf Matt seinen Bierbecher in die aufgeheizte Menge. Zu „Is There Anybody Out There“ öffneten vor mir zwei Kumpels ihre Zöpfe und schwangen ihr hüftlanges Haar heftig umher. Robyn Flynn wandte sich mit herzensguten Worten an die Crowd: „There is some time in this life when you feel lonely, when you feel lost. Just look at the person beside you, behind you or in front of you. ‘Cause they feel exactly the same way!” und weiter ging es mit dem Refrain, unterstützt von etlichen Stimmen aus der Menge. „Hey, Rock am Ring, are old-school motherfuckers here tonight? Mr. Reece Scruggs is taking you back to 1999!” Abfahrt mit “From This Day.“ Zu dem begnadeten Gitarrenriff schoss rotes Konfetti in die Höhe. In der Menge war die Hölle los. Die Begeisterung zündete wie ein Lauffeuer. Moshpits mündeten in Momenten, in denen die Metalheads ihre Fäuste begeistert emporhoben. „Holy shit! That’s the Germany, I remember. We have one more song for you. I need everybody. This is called ,Halo’. It’s time to get loud my friends!” Und wie laut es wurde – vor und auf der Bühne. Zudem vereinten sich Luftschlangen, Konfetti und Funkenregen. Die Stimmung war auf dem absoluten Höhepunkt. Zum gebührenden Abschied warfen die Musiker haufenweise Plektren in die Menge, die extra für ihren Gig bei Rock am Ring gefertigt wurden. Das war ein granatenstarker Auftritt! Und herzlichen Dank für das kleine Erinnerungsstück.

Machine Head

Publikumsmagnet

Nachdem Corey Taylor zu Beginn des Jahres einige Konzerte absagen musste, weil es ihm mental nicht gut ging, waren wir umso beruhigter, dass er nun wieder auf der Bühne stehen konnte. Als Intro hörten wir „The Box“ – den ersten Track des aktuellen Albums – als Einspieler. Zu sanften Mandolinenklängen erklang die sagenhafte Stimme von Corey: „Cause all the eyеs are smiling, take a breath, enjoy the show.” Und schon kam der US-Rocker samt seinen Musikern auf die Bühne gestürmt und schoss erstmal eine Ladung Mineralwasser in die Menge. Mit dem Killersong „Post Traumatic Blues“ legte der Sänger richtig los. Wütender, gutturaler Gesang mündete in dem klaren Refrain, der das Publikum sofort mitriss. „Dankeschön, meine Freunde. Guten Abend Rock am Ring. Wie geht es euch? It’s so good to be back. Let me see my fucking family. We are ready to have a good fucking time. I need you all to help me fucking sing!“ Songs von Stone Sour mischten sich unter die Titel seines Soloprojekts. Immer wieder musste der Frontmann „Corey Taylor”-Rufe unterbrechen, um mit seinem Set fortfahren zu können. Mit „Beyond“ rockte er sich ohne Umwege in unsere Herzen. Auch einige Smashhits von Slipknot durften nicht fehlen. „Before I Forget“ brachte richtig Bewegung in die Menge. Mit Leibeskräften stimmten die Fans in die bekannten Lyrics mit ein. „Are you ready kids?“ Natürlich gehörte auch die kurze Hommage an Spongebob bei seinem Konzert dazu – ebenso wie die berührende Akustikversion von „Snuff“.

Corey Taylor

Bedrückendes Geständnis

Doch wer dachte, diese Momente würden einem schon nahe gehen, der ahnte nicht, was nun folgte. „This next song is dedicated to the woman of my dreams: Alicia Estelle Antoinette Taylor. She has been my angel for longer than you will ever fucking know. And six months ago, she saved me from the darkest fucking point in my entire life. Without her, I would not be here! Without her, my life honestly would not be worth living. It’s the very first song I ever wrote for her. She’s my queen, she’s my home.” Seine erschütternden Worte musste man erstmal verarbeiten. Dass es so schlimm um den beliebten Musiker stand, war vermutlich niemandem bewusst. Doch nun war er hier. Und obwohl tausende Fans vor ihm standen, drehte er sich den kompletten Song über seiner Frau zu, die am Bühnenrand stand. Er blickte sie gefühlvoll an und sang „Home“ für sie. Was für ein unglaublicher Liebesbeweis. Zum Schluss warf er ihr einen Luftkuss herüber und weiter ging die Show. Ohne ablenkende Special-Effects gab es einfach 100% Corey zu sehen. Und das war phänomenal. Mit „Duality“ verlangte er uns nochmal alles ab. Während er auf der Bühne nochmal richtig eskalierte, erreichte uns die Nachricht, dass bereits völlig überraschend der erste Headliner für Rock am Ring 2025 bekanntgegeben wurde. Und wer war das? Slipknot! Ein besseres Timing hätten die Veranstalter des Festivals nicht finden können. Unter nicht enden wollendem Jubel wurde Corey Taylor verabschiedet.

Corey Taylor

Die Italiener trotzen der Kälte

Mittlerweile war es wieder bitterkalt am Ring.Dies war dem Headliner schier egal. Måneskin enterten dennoch sparsam bekleidet die Main-Stage. Und das, obwohl ihnen eine komplette Konzertlänge zustand. Die Karriere der einstigen Eurovision-Song-Contest-Gewinner ging rasant bergauf. Spielten die Italiener vor zwei Jahren noch am späten Nachmittag, gehören sie mittlerweile zu den ganz großen Bands der Rockszene. Vor allem die junge Generation feiert die erotisch angehauchte Attitüde der Band. Modisch sind die vier immer penibel aufeinander abgestimmt. Outfits, Stil und Farbschemen passen bei jedem Auftritt perfekt zusammen. Doch auch die Band selbst harmonierte einfach perfekt auf der Bühne. Dabei stand niemand komplett im Vordergrund. Damiano David ist zwar der Sänger, aber jeder wusste auf die eigene Art und Weise zu polarisieren und zu glänzen. Dabei gaben sich Måneskin auch gewohnt Fan-nah. Bassistin Victoria De Angelis und Gitarrist Thomas Raggi lieben es schließlich, sich samt ihrer Instrumente von ihren treuen Begleitern durch die Menge tragen zu lassen.

Maneskin

Frisches Blut

Zweimal hüpfte die Menge auch nach Damians Nase „Put your beautiful asses on the ground!“ Nachdem sich alle niedergelassen hatten, sprang man gemeinsam wieder auf, um die finale Party zu genießen. Es gehört auch stets dazu, dass ihre Fans die Bühne mit ihren Idolen teilen dürfen. Zu „Cool Kids“ rockten also dutzende Nachwuchs-Rockfans gemeinsam mit den Italienern die Bühne. Der Sänger mit der unverkennbaren Stimme und dem landestypischen Akzent begab sich in den Fotograben, um noch mehr Fans nahe zu sein. Thomas schmiss sich auf den Bühnenboden und Victoria hockte sich mit aufreizenden Bewegungen auf ihren Kollegen, während beide weiterhin gekonnt in die Saiten griffen. Für die Zugabe betrat der talentierte Gitarrist ganz allein und mit freiem Oberkörper die Utopia-Stage. Zu einem ausgiebigen Gitarrensolo begab er sich inmitten der Fanschar auf den langen Steg und genoss die Momente im Scheinwerferlicht, das einzig auf ihn gerichtet war. Noch einmal kamen alle zurück und performten den Rest von „The Loneliest“. Etliche Fans lagen sich gerührt in den Armen. „We fucking love you!“ In einer veränderten Version gaben sie nochmal „I Wanne be Your Slave“ zum Besten. Gemeinsam spornten sie ihr Publikum ein letztes Mal an, hüpften ausgelassen umher und bewiesen, dass auch eine ganz moderne Band zurecht mal die Hauptbühne final berocken durfte.

Ausblick

2025 feiert Rock am Ring sein 40-jähriges Jubiläum. Hierfür haben sich die Veranstalter etwas ganz Besonderes überlegt. Es wird eine vierte Bühne geben und insgesamt darf man sich auf 100 Bands freuen. Weitere Neuerungen werden nach und nach bekanntgegeben. Erneut war das Festival ein voller Erfolg. Das zeigen auch die ersten Verkaufszahlen. Der Vorverkauf ist bereits gestartet und innerhalb kürzester Zeit wurden schon über 30.000 Tickets verkauft. Wir sind gespannt, was uns alles erwarten wird. Doch jetzt gilt es erstmal, all die Eindrücke aus diesem Jahr auf sich wirken zu lassen. Gute Nacht, Rock am Ring!

Text: Nadine Kloppert
Fotos: Michael Gamon

Hier geht es zum ersten Teil.

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