CRY CLUB: „Offensichtlich will das Universum nicht, dass wir Musik machen, aber wir machen weiter, aus Trotz!“

Foto: Giulia McGauran

2 Fakten:
• Kennengelernt haben die beiden Australier Heather und Jono sich in einem Flugzeug auf dem Weg nach Japan.
• Dabei sah Jono die Fernsehserie „Over the Garden Wall“, die auch zu Heathers Favoriten zählt. Sie meinte, dass diese animierte Serie sie zum Weinen gebracht hätte. – So kam es zum Bandnamen Cry Club.

Nach ihrem punk-poppigen Debütalbum „God I’m Such a Mess“ (2020) war der Albumtitel ihres zweiten Werks äußerst schwierig. „Spite Will Save Me“ sollte einerseits ein Augenzwinkern an den Erstling sein, „aber die böse Version“, erklärt Jonathon und fährt fort: „Es musste überdreht sein, aber weniger ängstlich, aggressiver. Wir haben uns auch stark von den Titeln inspirieren lassen, die Lingua Ignota verwendet. Bei ihr hat man das Gefühl, dass es sowohl ein Songtitel als auch der Titel eines klassischen Kunstwerks ist, das irgendwie Gewalt darstellt.“ Wir sprechen mit dem sympathischen Duo über unverschämtes Pech, den boshaften Antrieb als Motivationsfaktor und dem Kreuz mit den Genre-Schubladen.

Orkus: In welchen Situationen hat euch Boshaftigkeit schon geholfen?
Heather: Wir hatten so viel Pech als Band, es gibt einen Witz mit unseren Fans über den „Cry-Club-Fluch“, bei dem jede große Chance, die sich uns bietet, mit einem völlig zufälligen Hindernis einhergeht, das wir dabei überwinden müssen (einmal ist ein Teil unseres Equipments buchstäblich in Rauch aufgegangen, direkt vor einem Festival-Set im Jahr 2021). Viele Leute haben gesagt, dass sie schon aufgegeben hätten, wenn ihnen das Gleiche passiert wäre. Offensichtlich will das Universum nicht, dass wir Musik machen, aber wir machen weiter, aus Trotz! Man hat uns auch gesagt, dass wir „weniger queer“ sein sollen, wenn wir Erfolg haben wollen, weil die Leute eine „seltsame“ Band wie uns nicht buchen würden. Als Antwort darauf machen wir weiter Musik, um sie zu ärgern, und oft ist es dieser boshafte Antrieb, der motivierender sein kann, wenn man anfängt, zermürbt und müde zu werden.

O: Kürzlich meintet ihr, dass es fast ein Wunder wäre, dass „Spite Will Save Me“ überhaupt erschienen ist. Wie war das gemeint? Welchen besonderen Herausforderungen musstet ihr euch stellen?
Jonathon: Als wir im März 2021 mit den Aufnahmen begannen, hatten wir das Gefühl, einen klaren Weg vor uns zu haben, wir hatten eine verlässliche Unterstützungsstruktur. Als wir dann das Studio verließen, bekamen wir absolut NULL Resonanz in der australischen Musikindustrie und diese neue Welle von Covid landete in Australien. Also mussten wir irgendwie die Rechnung für das Album bezahlen und konnten gleichzeitig keine Konzerte spielen. So verbrachten wir die nächsten paar Jahre damit, wieder Fuß zu fassen, sowohl kreativ als auch finanziell. All diese Zeit hat uns dazu gebracht, unsere eigenen Musikvideos zu drehen, aber ein großer Teil der Arbeit an diesem Album war einfach nur „Oh Gott, wie können wir es uns leisten, es fertigzustellen“.

O: Wie hat die Tatsache, dass ihr Australier seid, euren Sound oder die Themen beeinflusst?
H: Die Musikindustrie in Australien kann für Indie-Bands sehr schwer zu knacken sein. Tourneen sind hier sehr teuer, die meisten Künstler sind auf einen einzigen nationalen „Jugend“-Radiosender angewiesen, um bekannt zu werden, und die Labels scheuen sich davor, Risiken für Künstler einzugehen, die nicht zu diesem Radiosound passen könnten. Es kann verlockend sein, die schrägen Seiten der eigenen Musik oder Identität abzuschwächen, um bessere Chancen bei den Labels oder im Radio zu haben, aber das Publikum ist hungrig nach etwas anderem! Das war ein großer Einfluss für uns, uns für große, mutige Entscheidungen beim Songwriting und bei den Bildern zu entscheiden, unsere Andersartigkeit zu zelebrieren und uns nicht zu scheuen, Risiken einzugehen. Wir haben die Freiheit, noch verrückter zu sein, weil unser Publikum und andere Bands wie wir immer bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen.

O: Es ist schwierig, euch einem bestimmten Genre zuzuordnen. Auch eure Playlists, die die Einflüsse während der Entstehung des neuen Albums verdeutlichen, sind sehr vielfältig. Wo seht ihr euch musikalisch?
J: Es ist so ein Kampf mit der Genre-Sache! Ich glaube, wir sind eine Band, die sich ermächtigt fühlt, das zu erforschen, was für uns in jedem Moment am spannendsten ist, was alles sein kann! Es gibt ein Zitat von Brian Eno, das besagt, dass wenn man sein Publikum schon früh mit einer großen Bandbreite von Dingen vertraut macht, es nicht so resistent gegenüber Stilwechseln ist – und ich denke, das hat uns sehr inspiriert und uns das Selbstvertrauen gegeben, zu experimentieren. Wir versuchen, ein Publikum aufzubauen, das sich auf uns als Cry Club einlässt, nicht auf ein bestimmtes Genre oder einen bestimmten Sound. Davon abgesehen ist diese Platte viel mehr ein Gitarrenrock-Album, aber jeder Song verweist auf eine bestimmte Art von Rockmusik. „Like Wildfire“ ist ein noisig-industriell inspirierter Track, während „Hocus Pocus“ dem Shoegaze der Neunziger und dem Stadion-Alt-Rock verpflichtet ist. Wenn die Leute also fragen, sage ich, dass wir eine Pop-Rock-Band sind, aber im Moment geht es ziemlich aggressiv zu!

O: Es ist schwierig, nur einen Song auszuwählen, aber sicherlich herausstechend ist „Somehow (You Still Get to Me)“. Wie ist es dazu gekommen?
H: Ehrlich gesagt, haben wir meistens nur Dampf abgelassen! Melbourne hat Corona sehr ernst genommen (was wir unterstützen!), und deshalb waren wir fast die ganzen Jahre 2020 und 2021 eingeschlossen, mit sehr strengen Regeln, wann und aus welchen Gründen man das Haus verlassen durfte. Zum Glück konnten wir innerhalb dieser Regeln trotzdem gemeinsam Songs schreiben, und wir waren bestrebt, Spaß daran zu haben, anstatt uns in Traurigkeit über die Situation zu suhlen. Der Schreibprozess war der lustigste, den wir je hatten. Ich kam an diesem Tag sogar zu spät zur Arbeit, weil wir immer wieder neue Sachen zum Demo hinzufügten und die ganze Zeit über lachten. Wir haben es zunächst so gut wie niemandem gezeigt, weil wir dachten, dass wir einen Song mit so einem kitschigen Sound nicht veröffentlichen „dürfen“, aber ich glaube, die Leute haben so gut darauf reagiert, WEIL wir uns so sehr darauf eingelassen haben. Wir haben beide als Teenager viel Glamrock gehört und finden es witzig, dass es als so ein männliches Genre gilt, wo doch Bands wie Van Halen und KISS in glitzerndem Elastan und Make-up auftraten. Es fühlte sich richtig an, diese Dichotomie zu nutzen, um eine Geschichte zu erzählen, die spezifisch und unverfroren queer ist.

Claudia Zinn-Zinnenburg

Neugierig auf den Sound von Cry Club? Das Album gibt es auch hier auf Vinyl mit ausgefallenen Shirts.

Den Song „Get Up!“ kannst Du in unserer Spotify-Playlist „Dark Rock“ genießen:

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