DEPECHE MODE: live erlebt

Let’s have a „Black Celebration“!

Mehr als ein Jahr führte die Tour zu „Memento Mori“ Depeche Mode rund um den Globus. Mit den Konzerten Nummer 110, 111 und 112 beendeten Dave Gahan und Martin Gore nun vom 03.–08. April 2024 in der Lanxess-Arena in Köln diese Reise. Wie waren am ersten Abend dabei und blicken zurück.

Es ist eher selten, dass es vor Konzerten von Depeche Mode ernsthaft zu Unruhe kommt. An diesem Mittwoch hatte aber eine Blindgängerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg etwas gegen einen entspannten Tag. Bei Bauarbeiten fand sich so eine Bombe am Kennedy-Ufer am Rhein etwa einen Kilometer Luftlinie von der Lanxess-Arena entfernt. Schon wollte sich Sorge bei den Fans ausbreiten, ob das Konzert wie geplant stattfinden konnte. Die Stadt Köln ist jedoch in Entschärfungen geübt und legte den Evakuierungsradius auf 500 Meter um die Fundstelle fest, womit die Arena nicht betroffen war. Die Entschärfung ab 15:30 Uhr war erfolgreich, sodass sich der berühmte Black Swarm beruhigt weiter auf die Anreise nach Köln begeben konnte.

Depeche Mode 2024

„Good evening, Cologne!“
Die Atmosphäre in der Arena flirrte dann auch bereits ordentlich. Das Kölner Publikum brachte sich in Stimmung und brach in ohrenbetäubenden Jubel aus, als um 20:50 Uhr mit minimaler Verspätung das Licht im Saal erlosch. Zum Instrumental-Outro von „Speak to Me“ betraten erst Christian Eigner (Schlagzeug) und Peter Gordeno (Keyboards) die Bühne, dicht gefolgt von Martin Gore. Eigner brachte mit der Bassdrum die Arena zum Beben, bevor sich als Letzter Dave Gahan die Ehre gab. Mit weit ausgebreiteten Armen stolzierte er in die Mitte der Bühne und ließ sich vom Publikum feiern, bevor der Abend mit „My Cosmos Is Mine“ richtig losging. „Good evening, Cologne!“, begrüßte Gahan das Publikum anschließend.

Depeche Mode 2024

Zeigt her eure Schühchen!
Etwas gemächlich durfte der Anfang sein, nach „My Cosmos Is Mine“ präsentierte sich mit „Wagging Tongue“ ein weiteres Stück von „Memento Mori“. Die Bühne war hierbei minimalistisch, aber effektiv mit mehreren Lichtspots in Szene gesetzt. Dann jedoch war die Arena in rotes Licht getaucht, die ersten Takte von „Walking in My Shoes“ erklangen. Und wie bereits im vergangenen Sommer knallte der Song mit einer Wucht los, die das Publikum am ganzen Körper spürte. Gahan legte Tanzeinlagen hin, die an Elvis Presley erinnerten und forderte die Arena zum Mitsingen auf. Am Ende präsentierte er passend zum Titel kokett seine charakteristischen Bühnenstiefel – an diesem Abend passend zum Jackett in Weiß.

Depeche Mode 2024

Von Müdigkeit keine Spur
Rein auf den Rhythmus und das Tempo bezogen durfte es weiterhin gemächlich weitergehen. Bei „It’s No Good“ gab es auf der Videoinstallation ein Wiedersehen mit den Strandeseln vom vergangenen Jahr, „Policy of Truth“ war ein sicherer Garant zum lauten Mitsingen. Atmosphärisch wurde es wie gewohnt für „In Your Room“. Das Lied hat wie seine Geschwister des Albums „Songs of Faith and Devotion“ auch nach all der Zeit noch eine gewaltige Live-Wucht. Noch weiter zurück in der Geschichte von Depeche Mode und nach vorne mit dem Tempo ging es anschließend zu „Everything Counts“. Gahan beanspruchte den Laufsteg ins Publikum für sich und dirigierte von dort mühelos die Massen. Leichtfüßig legte er dann wieder den Weg zur Bühnenmitte zurück, sodass man sich in Erinnerung rufen musste: Der Mann wird 62 Jahre alt! Woher nimmt er die Energie? Ihm war in Konzert Nummer 110 der Tour keine Spür Müdigkeit anzumerken. Nach „Before We Drown“, das wirkungsvoll mit Bildern rauer See unterlegt war, durfte Gahan sich jedoch eine kleine Pause gönnen.

Depeche Mode 2024

Mr. Martin L. Gore
Traditionell war nun die Zeit für Gore gekommen. Mit Gordeno an den Keyboards gab er eine Piano-Version von „Strangelove“ zum Besten. Das Publikum bot laustarke Unterstützung, sodass Gore sich dann auch über den Laufsteg wagte, um sich noch mehr Unterstützung einzuholen: „Pain! Will you return it? I say it again. Pain!“. Für Gänsehautstimmung sorgte im Anschluss „Home“. Nicht nur, weil die Arena hier ebenfalls stimmlich beste Unterstützung bot. Das Publikum sang auch nach Ende des Stücks weiter und das noch, als Gahan bereits zurück auf der Bühne war. Die Stimmung war definitiv auf Depeche Mode übergesprungen. Gahan und Gore zeigten sich gelöst wie nie und dirigierten das Publikum gemeinsam zu Ende.

Depeche Mode 2024

Gelöste Stimmung
„Ghosts Again“ wurde wie auf der Sommertour ausgiebig von allen Beteiligten gefeiert, und dann legten Depeche Mode noch eine Schippe drauf. „I Feel You“ und „A Pain That I’m Used to“ geizten weder mit Lautstärke oder Wucht, noch mit visuellen Reizen. Die Lichtshow unterstrich die Kraft dieser Lieder, spätestens aber bei letzterem Song stand Gahan im Gegensatz zur Botschaft. Er tanzte über den Laufsteg ausgelassen hin und zurück und schob Peter Gordeno, der seinen Weg von den Tasten an den Bass gefunden hatte, spielerisch beiseite. Grinsend ließ er sich dafür vom Publikum feiern und konnte es sich nicht verkneifen, Gordeno noch einen Klaps auf den Allerwertesten zu verpassen. Für „Behind the Wheel“ trafen Gore und Gahan auf den Videoleinwänden auf ihre jüngeren Ichs, die im Musikvideo zum Song zu sehen sind. Das Lied ist Andrew Fletcher gewidmet, was Gahan im Gegensatz zur Sommertour eher beiläufig erzählte, als zum Ende ein Bild des verstorbenen Bandmitgliedes eingeblendet wurde.

Depeche Mode 2024

„… to celebrate the fact.“
Etwas lag an diesem Abend in der Luft. Vielleicht war es die Tatsache, dass Depeche Mode wussten, dass sie sich im Endspurt zur Tour befanden. Oder es ist die Tatsache, dass Köln einfach ein grandioses Publikum hatte? Martin und Dave wurden es jedenfalls nicht müde, sich selig anzugrinsen, sich abzuklatschen oder im Vorbeigehen eine Fistbump zu geben. Bei den drei letzten Liedern des offiziellen Sets stand die Arena weiterhin wie gefühlt den ganzen Abend Kopf. Klassiker wie „Black Celebration“ – ein Stück, das für die „Memento Mori“-Tour nach langen Jahren wieder seinen Weg ins Set gefunden hatte – und „Stripped“ wurden frenetisch gefeiert und animierten Gahan weiterhin zu einigen Tanzeinlagen. Als dann die ersten Takte von „Enjoy the Silence“ erklangen, gab es kein Halten mehr. Der Song war ein Live-Garant, der bis zum Exzess zelebriert wurde. Zum Ende wagte sich Gore mit seiner Gitarre wieder auf den Laufsteg. Eine Bühne, die Gahan ihm gerne gönnte, während dieser die Massen von der Bühnenmitte weiter dirigierte.

Depeche Mode 2024

See you next time?
Natürlich ließ Köln Depeche Mode nicht ohne Zugaben gehen. Nach einer kleinen Verschnaufpause marschierten Gore und Gahan wieder in die Mitte des Publikums und intonierten „Waiting for the Night“. Ein Chor aus 20.000 Stimmen begleitete sie, die Handytaschenlampen sorgten für den passenden Background. Ausgelassen war die Stimmung nochmals bei „Just Can’t Get Enough“, bevor bei „Never Let Me Down Again“ der Moment kam, auf den jeder Fan bei jedem Konzert seit dem Moment 1988 im Rose Bowl, Pasadena wartet. Gahan streckte seine Arme in die Höhe, wackelte mit den Fingern und marschierte in die Mitte der Bühne: Die Arena verwandelte sich in das legendäre Weizenfeld, das gesamte Publikum schwang seine Arme im Takt. Gänsehaut pur. Den krönenden Abschluss bildete „Personal Jesus“. Hier fuhren Depeche Mode noch einmal alles auf. Das Intro zogen sie gekonnt in die Länge, bevor der Song zur Textzeile „Reach out and touch faith!“ explodierte. Die Lichter blitzten, Gahan beanspruchte die komplette Bühne für sich – und Köln feierte einen außergewöhnlichen Abend.

Depeche Mode 2024

Ein Abend, an dem sich Depeche Mode locker und gelöst wie selten gezeigt haben. Die Chemie zwischen Gahan und Gore stimmte, alle Beteiligten hatten sichtbar Spaß und ließen dies ihr Publikum wissen. Am Ende verabschiedete sich Gahan mit dem gewohnten „We see you next time!“, bevor die Band unter frenetischem Jubel die Bühne verließ. Zwei Abende später beim Tourabschluss sagte er dies nicht und bedankte sich stattdessen in einer kleinen, bewegenden Rede bei der Crew und dem Publikum. Wir sind dennoch für ein Wiedersehen. Denn Depeche Mode haben im Tour-Endspurt bewiesen, dass von Müdigkeit keine Spur zu sehen ist …

Text: Katrin Hemmerling
Photos: Dietmar Grabs


Setlist:
„Speak to Me“ (Instrumental outro) • „My Cosmos Is Mine“ • „Wagging Tongue“ • „Walking in My Shoes“ • „It’s No Good“ • „Policy of Truth“ • „In Your Room (Zephyr Mix)“ • „Everything Counts“ • „Precious“ • „Before We Drown“ • „Strangelove“ • „Home“ • „Ghosts Again“ • „I Feel You“ • „A Pain That I’m Used to (Jacques Lu Cont Remix)“ • „Behind the Wheel“ • „Black Celebration“ • „Stripped“ ••• „Waiting for the Night“ „Enjoy the Silence“ „Just Can’t Get Enough“ • „Never Let Me Down Again“ • „Personal Jesus“

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