So war es bei NICK CAVE

Nick Cave & The Bad Seeds
08. Oktober 2024, Barclays Arena

Man darf durchaus behaupten, dass Urgestein Nick Cave zu den einflussreichsten Künstlern unserer Zeit gehört. Seit 1983 begeistert er Fans wie Kritiker gleichermaßen mit seinem höchst eigenen und unverwechselbaren Sound, angesiedelt irgendwo zwischen Rock, Punk, Alternativ und Gothic. Dazu ein wenig Blues, die frühen Roxy Music/Brain Ferry, ein späterer Johnny Cash, eine Prise Gospel und ganz viel Songwriting. Seine Musik und sein Stil sind unnachahmlich, aber immer voller emotionaler Intensität und einer lyrischen Obsession zu den Themen Liebe, Glaube und Tod. Diese besondere Mischung, vorgetragen mit seiner tiefen Stimme, die abgründige Poesie seiner Texte sowie die Kraft seiner Worte, machen ihn so einzigartig und aus der heutigen Musiklandschaft nicht mehr wegdenkbar.

Mit The Bad Seeds blickt er nun auf 18 Studio- und vier Livealben zurück. Dazu gesellen sich zwei Soloalben und zusammen mit seinem langjährigen Freund und Bandkollegen Warren Ellis mittlerweile 17 Filmkompositionen. Das Repertoire ist also gewaltig. Und da die letzte Tour bereits sieben Jahre zurückliegt wurde eine neue mit großer Sehnsucht erwartet. 2024 ist es endlich wieder so weit, Nick Cave & The Bad Seeds touren kreuz und quer durch Europa. Insgesamt 17 Länder dürfen sich auf sie freuen. Darunter Deutschland mit Konzerten in Oberhausen, Berlin, Hamburg und München. Mit im Gepäck sein neustes Album „Wild God“, welches in Deutschland, Österreich, Schweiz, England sowie vielen weiteren Ländern Chartplatzierungen in den Top-5 erreichte. Das Album ist auch gleichzeitig Namensgeber seiner diesjährigen Tour. – Wir waren in Hamburg vor Ort!

Gegen 20:30 war es endlich so weit: Nick Cave and The Bad Seeds betraten unter fanatischem Beifall die Bühne. Mit ihm kamen auch Multiinstrumentalist Warren Ellis und ein vierköpfiger Gospelchor, der gleich nach dem ersten Song „Frogs“ mit „Wild God“ eindrucksvoll im Zusammenspiel mit Nick Cave sein Können zeigte. Da war er also beinahe schon, der „Wild God“. Weiter ging es mit „Songs of the Lake“. Nach den drei Liedern des neuen Albums folgten erste Klassiker wie „O Children“, „Jubilee Street“ und „From Her to Eternity“, gefolgt wiederum von zwei Stücken des neuen Albums „Long Dark Night“ – eine herzergreifende Nick-Cave-typische Ballade – und einem dramatisch klingenden „Cinnamon Horses“. Im Anschluss mit „Tupelo“, ein Klassiker aus dem Jahr 1985, und danach, sozusagen als Kontrast, das bombastische „Conversion“. Das war Energie und Leidenschaft pur und einer dieser Songs, der uns nach dem Ende der letzten Note erst einmal tief schlucken lässt. – Da ist er also, der „Wild God“. Bei den nun nachfolgenden und sehr ergreifenden Balladen „Bright Horses“, „Joy“ und „I Need You“ sah man auf der Leinwand in Großaufnahme einen Nick Cave zu Tränen gerührt. Das waren mit Sicherheit die emotionalsten Momente des Abends und man spürte in diesen Kompositionen den durchlebten Verlust, die erlittene Trauer. Und nicht wenige im Publikum fühlten sich sichtlich berührt.

Es folgten abwechselnd Songs vom neuen Album und viele Klassiker aus mittlerweile 41 erfolgreichen Jahren. Natürlich durfte einer nicht fehlen: „The Mercy Seat“ war bestimmt einer der Höhepunkte und auch eines der eindringlichsten Stücke. Hier zeigte Nick Cave seine ganze emotionale Kraft, während das Publikum textsicher seine wütenden Lyrics mitsang. Nach zweieinhalb Stunden inkl. zweier Zugaben endete ein bombastischer und gleichzeitig sehr emotionaler Abend mit Nick Cave als Prediger im Zentrum des Geschehens und tausende sich ihm entgegenstreckende Hände. Er begleitete sein Publikum wie von einer Kanzel führend auf seiner Reise durch die Liebe, das Licht, die Dunkelheit und das Leben. Dabei immer suchend, seine Nähe, ja beinahe spürbare Liebe zum Publikum. Er war mehr vorne auf dem Steg direkt am Publikum als auf der Bühne, ließ sich in die tobende Zuschauermenge fallen und durch diese stützen, umfasste hunderte Hände und erzeugte auf eindrucksvolle Weise eine einzigartige Intensität und Intimität. 150 Minuten lang hat er seine Fans in Hamburg nicht nur begeistert, nein, er hat sie als „Wild God“ überwältigt!

Text & Photos: Thomas Friedel Fuhrmann

Setlist:
• „Frogs“ • „Wild God“ • „Songs of the Lake“ • „O Children“ • „Jubilee Street“ • „From Her to Eternity“ • „Long Dark Night“ • „Cinnamon Horses“ • „Tupelo“ • „Conversion“ • „Bright Horses“ • „Joy“ • „I Need You“ • „Carnage“ • „Final Rescue Attempt“ • „Red Right Hand“ • „The Mercy Seat“ • „White Elephant“ ••• „Palaces of Montezuma“ • „O Wow O Wow“ • „Weeping Song“ •••• „Into My Arms“