So war es bei PINK TURNS BLUE

Hamburg, Fabrik am 04. April 2025
Wegbereiter der deutschen Dark-Wave-Szene
Mitte der Achtziger vibrierte Deutschlands Untergrund: Post-Punk-Luft, rau und aufregend. Genau in dieser Zeit formierte sich 1985 in Köln Pink Turns Blue – ein Gegenentwurf zu Italo-Disco-Glitzer und Stadion-Rock à la U2 oder Simple Minds. Ihre Inspiration schöpften sie lieber aus den frühen New-Wave-Klassikern: die geheimnisvollen Klangwelten von The Cure, die rohe Intensität von The Sound und die schwebenden Gitarrenlandschaften der Chameleons. Pink Turns Blue tauchten ein in frostige Gitarrenriffs, legten verträumte Wolken darüber und schufen so jenes Dunkelgemälde, das wir heute als Dark Wave feiern. Ihre frühen Platten legten den Grundstein: minimalistische Arrangements, tiefe Basslinien, echohafte Gitarren. Später flirteten sie mit poppigeren Klängen, ohne ihre düstere DNA zu verraten. Seit dem Erfolg Ihres Albums „Tainted“ (2021) sind die Berliner Postpunker wieder mega angesagt und mit dem neuen Album „Black Swan“ im Gepäck ging es jetzt auf große Deutschland-Tour. Wir waren in der ehrwürdigen Hamburger Fabrik dabei.
Schwarze Schwäne oder ein Aufstand gegen die graue Wirklichkeit
Als die ersten Klänge von „Follow Me“ durchs Halbdunkel der gut gefüllten Hamburger Fabrik schnitten, war sofort klar: Hier wird nicht einfach musiziert – hier wird gelebt, gelitten und geliebt. Die Bassline pumpte wie eine zweite, dunkle Sonne unter der Haut, während Gitarrenläufe wie kalter Regen auf uns niederprasselten. Michael „Mic“ Jogwer stand vorne am Bühnenrand, souverän wie ein dunkler Zeremonienmeister. Seine Stimme? Noch immer diese Mischung aus Hoffnung und Endzeitstimmung, die einem direkt in die Eingeweide fährt.
Der gesamte Abend drehte sich um das neue Meisterwerk „Black Swan“ – und Pink Turns Blue ließen kaum ein Stück davon ungespielt. Zum allerersten Mal live erklangen „Can’t Do Without You“, „Dancing with Ghosts“, „Fighting for the Right Side“, „Like We All Do“ und „I Can Read Your Name in the Stars“. Jeder der neuen Tracks fühlte sich an wie ein geheimer Pakt mit der Vergangenheit, dabei immer modern, aber mit dem Herzschlag der Achtziger im Rücken. Doch die Band gönnte uns auch vertraute Momente. Mit „So Why Not Save the World“, „Not Even Trying“ und „There Must Be So Much More“ aus dem „Tainted“-Album von 2021 landeten wir in einem warmen Kokon aus Melancholie und Energie. Dann nahm uns der Titeltrack „Black Swan“ erneut auf eine düstere Reise mit, bevor „Why Can’t We Just Move On“ und „Stay for the Night“ das neue Material weiter entfalteten. Mit „You Still Mean Too Much to Me“ wieder vom Album „Tainted“, schloss der neuere Teil die Lücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Als sich im Anschluss die ersten rohen Klassiker wieder in die Gitarrenriffs mischten – „Walking on Both Sides“ und „Missing You“ – spürte man die Wurzeln, das pulsierende Herz dieser Band. Den krönenden Abschluss setzte das monumental epische „Your Master Is Calling“ – eine Hymne von 1988, die wie ein donnernder Schwur durch die Fabrik hallte: Gitarren stachen wie scharfe Eiszapfen durch dichte Tonteppiche, die Dich in ihren Bann zogen, und Michaels Stimme flüsterte und schrie gleichzeitig. Mit diesem epischen Finale verabschiedeten sich Pink Turns Blue in einem tosenden Nebel aus Applaus von der Bühne.
Doch das Hamburger Publikum verlangte nach mehr und eine erste Zugabe glich einem Triumphzug durch die frühen Jahre: „I Coldly Stare Out“ und „After All“ aus 1987 ließen alte Geister auferstehen, bevor „Walk Away“ vom 2007er-Album „Ghost“ den wohlverdienten Schlusspunkt setzen sollte. Und weil Hamburg nie genug bekommen kann, gab es eine weitere Zugabe, die uns endgültig den Rest gab: Mit „When It Rains“, „A Moment Sometimes“ und dem finalen „If Two Worlds Kiss“ ließen Pink Turns Blue ihre musikalische DNA in die Nacht entweichen – ein Moment, der uns dann alle in die Dunkelheit entließ und zugleich elektrisierte.
Fazit
Das waren Momente, in dem die Zeit langsamer floss, während Mic mit seiner Stimme verletzlich und unerschütterlich, alte Wunden aufriss und zugleich heilende Salbe auftrug. Wir sahen Songs wie dunkle Flügel, aufgespannt gegen die Schwerkraft des Alltags, und die gefeiert wurden wie lange verlorene Freunde, die endlich wieder am Tresen auftauchen und Dir stumm ein Glas in die Hand drücken.
Text & Photos: Thomas Friedel Fuhrmann
Setlist:
„Follow Me“ • „Can’t Do Without You“ • „Dancing with Ghosts“ • „Fighting for the Right Side“ • „Like We All Do“ • „I Can Read Your Name in the Stars“ • „So Why Not Save the World“ • „Not Even Trying“ • „There Must Be So Much More“ • „Black Swan (But I Know There Is More to Life)“ • „Why Can’t We Just Move On“ • „Stay for the Night“ • „You Still Mean too Much to Me“ • „Walking on Both Sides“ • „Missing You“ • „Your Master Is Calling“ ••• „I Coldly Stare Out“ • „After All“ • „Walk Away“ ••• „When It Rains“ • „A Moment“ • „Sometimes“ • „If Two Worlds Kiss“

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