Q+A / Story (1/5): KIRLIAN CAMERA: Kalte Pillen?
…vom wunderbaren Schwarzlicht ernähren.
Beunruhigende Spannung, Angst, Gänsehaut, das Wissen um ein Geheimnis – das sind alles Schlagworte, die auf „Cold Pills (Scarlet Gate of Toxic Daybreak)“ passen, aber nicht ausreichen, um die Dunkelheit dieses achtzigminütigen Mammutwerkes von Kirlian Camera auch nur ansatzweise zu beschreiben… Nun, Elena gelingt es, tiefer einzutauchen, als wir sie nach dem Albumtitel fragen.
Elena Alice Fossi: Der Untertitel beschreibt das Gefühl, das man haben kann, wenn man nach einer langen Nacht ohne Schlaf den Sonnenaufgang in einer verlassenen Straße betrachtet. Es ist eine fast tragische Morgendämmerung, die einem jedoch noch lange im Gedächtnis bleibt, mit ihrem Geschmack von Unwohlsein, Schläfrigkeit, Kälte und Halbverzweiflung. Es ist eine Morgendämmerung, in der der Himmel rötliche, scharlachartige Schichten offenbart, umgeben von einem düsteren Grau, mit schwermütigen Tönen. Wir erkennen in diesem Bild beinahe das Ende der Welt, wie wir sie kennen, fast eine schmerzhafte Fotografie, die eine futuristische und „berauschte“ Dekadenz evoziert.
Orkus: Was war während des Entstehungsprozesses von „Cold Pills (Scarlet Gate of Toxic Daybreak)“ am ungewöhnlichsten?
EAF: Das war… als wir die Route komplett änderten, auf der wir anfangs fuhren! Das alte „Cold Pills“ war viel mehr an Artpop und Ambient orientiert, während wir uns einer solchen Ausrichtung – zumindest zeitweise – nicht mehr verbunden fühlten, so dass Angelo und ich uns gegenseitig anschauten und feststellten, dass wir die neuen Visionen nicht zugunsten einer Idee, die in unserem musikalischen Kopf mittlerweile alt geworden war, beiseitelegen wollten! Also fingen wir ganz von vorne an. Versteh mich nicht falsch: Ich liebe die Atmosphäre von „Hologram Moon“, „Blue Room“, „K-Pax“, etc. sehr, aber ich denke, Kirlian Camera müssen sich auch mit ihrer dunkleren Seite verbinden. Wir müssen immer wieder neue musikalische Luft atmen. Was entspanntere Atmos angeht, vielleicht gibt es in der Zukunft Zeit und Raum, ich weiß es nicht, aber jetzt wollen wir uns vom wunderbaren Schwarzlicht ernähren.
Im nächsten Teil sprechen wir über den Eckpfeiler des Albums, tiefsten Schmerz und „Blade Runner“.
(Interview: Claudia Zinn-Zinnenburg, Foto: Terri Harrison)
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