Q+A / Story (2/2): QNTAL: „… unsere pragmatische Welt…“

Im ersten Teil sprachen wir anlässlich ihres aktuellen Albums „IX – Time Stands Still“ mit Qntal über winterliche Wellen und das Aufnehmen eines Covers, der wiederum selbst ein Coversong war. Da knüpften wir nun weiter an:

Foto: Severin Schweiger

Die Wurzel des Goth?

Ein wenig an das romantische Vorgängeralbum „VIII: Nachtblume“ knüpft „Dancing with the Daffodils“ nach einem Gedicht von William Wordsworths an. Syrah schmunzelt: „Das geht eigentlich noch weiter zurück, wir haben seit einigen Alben immer wieder englische oder deutsche Romantiker dabei. Michael meint, dass diese Leute die Vorläufer der Gothic-Bewegung waren.“ Die Liebe war nicht nur in der Romantik ein wichtiges Thema, sondern manifestierte sich seit alters her in der Lyrik, so auch in den mittelalterlichen Minnegedichten. Das komplexe Liebeskonzept findet sich in unterschiedlicher Ausprägung in „IX – Time Stands Still“ wieder. Michael erinnert sich: „Ich komme gerade aus der Türkei zurück, wo ich ein Konzert auf einem Sufi-Festival gespielt habe. Da habe ich in langen Gesprächen mit meinen Musikerfreunden gelernt, dass ‚Minnelyrik‘ auch eine Art mystische Philosophie und der Sufi-Mystik nicht unähnlich ist. Es geht darum, sein Herz zu weiten für andere Personen und die spirituelle Welt, auch für die Natur … Die Erfahrung der inneren tiefen Verbundenheit mit dem, was uns umgibt. Ich denke, darum geht es – auch in der Minnelyrik. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto bewusster wird man sich der Tatsache, dass unsere pragmatische Welt doch manches an tiefen Erfahrungen vermissen lässt.“

Ungehört?

Mit Syrah ergründen wir die Komposition „Quis est deus“ in lateinischer und englischer Sprache: „Der Text ist genial. Er scheint zur Zeit der Christianisierung zu spielen. Der Autor fragt: ‚Wer soll denn das sein, euer Gott? Ist er reich und mächtig, hat er Söhne und Töchter, wo wohnt er denn, euer Gott und wie sieht er aus?‘ Der englische Text ist die moderne Übersetzung und wir hatten die spontane Idee, sie teilweise mit in den Song zu übernehmen. War für uns auch das erste Mal. Habe sowas überhaupt noch nie gehört.“ Zum Nachdenken regt „O Welt“ nach einem späten Text Walther von der Vogelweides an. Michael taucht ins Thema: „Das ist ein ergreifendes Alterswerk, ein zeitloses noch dazu, der letzte Text, den Walther geschrieben hat. Er ist von Gefühlen hin- und hergerissen: Verbitterung über die Gesellschaft, in der er leben musste, Angst vor dem nahen Tod, Melancholie und Trauer über die verlorenen schönen Zeiten, die schon lange zurück liegen. Das alles in so ergreifender Weise in Worte zu fassen, ist hohe und höchste Kunst.“

(Interview: Claudia Zinn-Zinnenburg)

Den ersten Teil verpasst? Kein Problem, hier ist er.

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Auch QNTAL sind hier zu hören: „Gothic & Dark Wave“ – enjoy & follow: