Vor 20 Jahren: Interview mit CLAN OF XYMOX
(Das nachfolgende Interview erschien erstmalig in der Orkus!-Ausgabe September 2003)
Nihilistische Melancholie – Teil 1
Wenn man heutzutage das Wort „Band“ in den Mund nimmt, dann kann man damit ganz unterschiedliche Dinge meinen. Da lungern einerseits diese nach Marktforschungsergebnissen zusammengestöpselten Pappnasen-Stars herum, die einem alltäglich aus dem Fernsehgerät und dem Radio entgegenblöken. Auf der anderen Seite gibt es Bands, die sich selbst von ihrer ersten Stunde an treu geblieben sind, die einen eigenen Stil suchen und sich damit über Jahre behaupten können. Mit „Farewell“ sind Clan of Xymox frischer und moderner als je zuvor, aber nach nur wenigen Tönen offenbart sich dennoch wie eh und je die typische Xymox’sche Finsternis und Schwere. Ein äußerst redseliger und gut gelaunter Ronny Moorings nahm sich eine Menge Zeit, um über sich, die neue Platte und die Industrie zu plaudern.
Orkus: Es sind knapp zwei Jahre seit eurem letzten Longplayer „Notes from the Underground“ vergangen. Warum hat das – für musikindustrielle Standards – so lange gedauert?
Ronny Moorings: Du meinst wohl eher: „Warum ging das so schnell?“ (grinst) Das Schreiben eines Albums ist eine wirklich arbeitsaufwändige Angelegenheit, bei der du eine Menge von Ideen sammeln musst und natürlich auch eine Pause zwischen den Platten brauchst, um die vorherige aus dem Kopf zu bekommen, damit du dich nicht wiederholst. Man braucht definitiv einige Zeit dazwischen, um die nötige Inspiration zum Schreiben zu finden, besonders für die Texte. Zudem haben wir ja letztes Jahr die „Remixes from the Underground“ herausgebracht, die ebenfalls einer ganzen Menge an Arbeit bedurfte – selbst Remixe brauchen manchmal ein paar kleine Reparaturen oder Aufpolierungen, und die Koordination des Ganzen ist das Schwerste. Des Weiteren haben wir ja noch die Single „There’s No Tomorrow“ veröffentlicht, und ich denke, man sollte die Fans nicht überfüttern. Das Touren zwischen den Alben nimmt außerdem noch einen Haufen Zeit in Anspruch. Wenn du live spielst, bist du ständig unterwegs, und wenn du dann nach Hause kommst, rennst du nicht geradewegs ins Studio, sondern gönnst dir eine kleine Pause. Ein wenig Zeit für sich selbst ist unheimlich wichtig, genauso wie andere Unternehmungen. Ich stecke eben noch sehr viel Zeit in die Organisation des halbjährlich stattfindenden Gotham-Festivals in Amsterdam und nehme an einem Spanischkurs teil, der mich jede Woche einen ganzen Tag kostet.. irgendwie bin ich zu langsam, glaube ich. (lacht) Wenn du all diese Sachen zusammenrechnest, dann, finde ich, ging das alles ziemlich schnell und hätte viel länger dauern können, wenn die Songs nicht einfach so aus mir herausgesprudelt wären.
O: Gab es in der Zwischenzeit eigentlich irgendwelche nennenswerten Veränderungen bei Clan of Xymox?
RM: Wenn du uns als Live-Band meinst, kann ich nur sagen, dass zurzeit eigentlich alles ziemlich beständig ist bei uns. Wir haben seit unserer letzten Platte viel getourt und sind richtig begierig darauf, unser neues Material vorzustellen. Für Denise wird es ein wenig härter werden, weil sie ein neues Studium beginnt, und dadurch wird es auch schwierig für sie, das mit den Live-Shows zu koordinieren.
„Liest man allerdings meine Texte, dann würde man denken, dass es mir ziemlich miserabel geht…“
O: Und gibt es Veränderungen in deinem Leben, die das neue Werk vielleicht auf die eine oder andere Art beeinflusst haben?
RM: Mein Leben ist seit einer geraumen Weile recht stabil. Liest man allerdings meine Texte, dann würde man denken, dass es mir ziemlich miserabel geht, aber ich versuche den Leuten immer zu erklären, dass ich meine Inspirationen oftmals nur aus dem Beobachten von Menschen beziehe, ihres Lebens und ihres Verhaltens, oder durch Problemgeschichten meiner Freunde. Diese Dinge lösen oft aus, dass ich mich hinsetze und ein Lied oder einen Text schreibe, und meistens versuche ich mich dabei mit dem Gegenstand zu identifizieren, weil ich selbst natürlich im Laufe der Jahre eine Menge an Emotionen durchlebt habe, und es ist nur noch ein Klacks, die „Mein“-, „Ich“- und „Du“-Formen auszutauschen. Natürlich singe ich auch über sehr persönliche Dinge, wie bei „This Cold Damp Day“, in dem es um das innige Vermissen einer Person geht.
O: Dieses Stück handelt ja von Sehnsucht und tiefem Verlangen, einer Liebe voller Selbstaufgabe. Alle anderen Dinge im Leben scheinen daneben zu verblassen und werden unbedeutend. Ist das die Art von Liebe, die Ronny Moorings lebt?
RM: Definitiv! Ich bin voller Selbstmitleid und Liebe, um mich auf diese Art hinzugeben und fallen zu lassen. Für mich sind „This Cold Damp Day“ und „Losing My Head“ die eigentlichen positiven Songs des Albums. Ich singe darüber, wie sehr sie bestätigen, wie viel mir diese Person bedeutet.
O: Ich hatte eher bei den beiden Tracks „There’s No Tomorrow“ und „lt’s Not Enough“ das Gefühl, als wären sie durch die schweren elektronischen Elemente ein bisschen positiver als der Rest von „Farewell“ – rein textlich sind sie allerdings ebenso düster. Die Songs strotzen nur so vor nihilistischen Ansichten, auch wenn es dabei um Liebe geht Ist diese Düsternis ein wichtiger Aspekt eurer Musik?
RM: Ha! (lacht) „There’s No Tomorrow“ ist meiner Meinung nach extrem dunkel, wobei der Rhythmus ein wenig irreführend ist. Es geht um jemanden, der seine Beziehung ersterben sieht, aber immer noch versucht, sie irgendwie zu retten, während er von seinem Partner einfach keine positive Resonanz erfährt, obwohl dieser sich ebenso zerbrochen fühlt „lt’s Not Enough“ handelt von einer Person, die mir auf die Nerven geht, und von der ich gerne nie mehr etwas hören möchte. Ich bin sicher, wir alle haben solche Menschen in unseren Leben, und wir wollen sie einfach alle loswerden. Aber im Allgemeinen kann man definitiv sagen, dass ich die dunkleren Bereiche der Musik bevorzuge.
Peter Sailer
In einer Woche geht es mit dem zweiten Teil weiter. Wir sprechen mit Ronny über eine dunkle, unheilvolle mentale Folter und das Problem mit Major-Labels.
Hier kannst Du die Rezension von „Farewell“ nachlesen:
Das Werk wird nun endlich auch als Vinyl erscheinen und ist bereits vorbestellbar bei fantotal.de
Höre Dir „Farewell“ auf Spotify an:
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